Publikationen - Leseprobe  
     
 
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  „Stadtgeschichten“
     
    Erzählungen      
    1999: Weitra, Bibliothek der Provinz      
    € 19,00      
           
           
           
               
 
     
  DIE NULL-LÖSUNG  
   
 

Seit einem Jahr lebt meine Mutter in einem Pensionistenheim, weshalb ihr Haus in niederösterreichischen Landen unbewohnt bleibt. Wenn ich mich gelegentlich dort aufhalte, fehlt mir die Motivation, für mich allein zu kochen. Lieber frequentiere ich das Wirtshaus. Das Licht benütze ich allerdings, sobald es dunkel wird. Und morgens die Kaffeemaschine für den gefilterten.

Zum vorgegebenen Termin der Stromzählerablesung war ich anderswo und demnach nicht imstande, dem Mann vom E-Werk sein Ablesewerk vollbringen zu lassen. Also schickte man mir ein Formular, um den aktuellen Zählerstand darauf einzu­tragen. Man ersuchte um Rücksendung des Formblatts oder um einen formlosen Anruf. Ich griff zum Telefonhörer. Nannte Anlagennummer sowie eine Ziffernfolge. Kein Problem bei jenem Gerät, das den Lichtstrom registriert. Sodann die Daten des Kraftstromzählers. Dieser ist für den Kochherd zuständig.

Der Beamte wiederholte den alten Stand des Zählers, ich den neuen. Die beiden Zahlen sind ident. Was mich nicht im geringsten verwunderte, vielmehr hätte mich irritiert, wäre es anders gewesen.

Nullverbrauch? fragte die Beamtenstimme zweifelnd.

Ja, Nullverbrauch, bestätigte ich. Meine Mutter befindet sich nämlich seit einem Jahr im Altersheim, und ich habe den Herd kein einziges Mal benützt.

Bei einem Nullverbrauch müssen wir eine Kontrolle durchführen.

Können Sie gerne machen, der Zählerkasten ist ohnedies von außen zugänglich.

Aber der Zaun. Wir dürfen nicht über den Zaun klettern. Das bringt rechtliche Schwierigkeiten.

Von mir aus können Sie klettern. Ich gebe Ihnen die Erlaubnis dazu, denn, wie gesagt, meine Mutter ist im Pensionistenheim, und ich bin wegen beruflicher Verpflich­tungen selten dort.

Wissen Sie was. Der Beamte schlug vor, eine Kilowattstunde zu verrechnen. Somit bleibt uns beiden die Kontrolle erspart.

Da ich einverstanden war, übersprangen wir gemeinsam den bürokratischen Zaun. Der Beamte war hörbar mit sich zufrieden.


 
 
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  DER MÜLLTRENNER  
   
 

Man kann mir gewiß manches vorwerfen, aber ich lasse mir keinesfalls nachsagen, daß ich meinen Müll nicht gewissenhaft trenne, zumal ich die Ordnung schätze. Wer Kaffeetassen zu Kaffeetassen, Weingläser zu Weingläsern plaziert, Messer, Gabeln und Löffel nicht wahllos in die Bestecklade wirft, mag auch seine Abfälle nicht unsortiert der Entsorgung anheimfallen lassen. Mein Umweltbewußtsein lasse ich mir von nichts und niemandem versauen.

Weshalb sich meine Abfälle aus zwingendem Grund nicht in einem einzigen Gefäß sammeln. Selbstverständlich verfüge ich über einen Container für buntes sowie einen für farbloses Glas, Eisen gelangt zu Eisen, Buntmetall zu Buntmetall; gelesene Zeitungen stapeln sich mit ihresgleichen, ungestört von Packpapier oder Kunstdruckbeilagen. Propylen kommt zu Propylen, rechtsdrehendes Polyäthylen wird von linksdrehendem gesondert. PVC fällt in meinem Haushalt in vernachlässigbaren Mengen an.

Mein Behälter für Gummiwaren ist dagegen eher unscheinbar, denn Radier­gummi werfe ich nicht unverbraucht weg, auch nicht jene, die aus einer mir unbekannten Plastikmischung hergestellt sind.

Mitunter stehe ich jedoch vor unlösbaren Problemen. Wie entsorge ich gebrauchte Präservative? Der Gummi – wobei ich annehme, daß es sich um Gummi handelt – mag sein Zwischenlager im Behälter für Gummi finden, hingegen ist der Inhalt eindeutig dem Biobereich zugehörig. Also entleere ich ihn dorthin, wo entsorgungstechnisch sein Platz ist.

Bleibt als Restmüll die individuelle Verpackung. Eine beschichtete Einheit, die zwar an Papier erinnert, aber vermutlich den technologischen Kriterien nicht entspricht. Sie mittels Spülung in der Toilette zu entsorgen, widerspricht meinen Grundsätzen.

Nun überlege ich, ob ich einen separaten Behälter für die Verpackungen von Präservativen installieren sollte. Eine Alternative wäre, Müll vermeidend abstinent zu leben.


 
   
     
   
     
     
     
 
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