Publikationen - Leseprobe  
     
 
back
 
     
 
  Die Ernte der Stachelbeeren
     
    Text-Clips.      
    2007: Horn, Edition Thurnhof      
    Mit Lithographien von Regina Hadraba.      
    € 24,--      
           
           
               
 
     
 

Die Ernte der Stachelbeeren

 
   
 

Der Behang der Sträucher erscheint segens-reich-haltig: Trächtig die Zweige, daran pralle Ballons mit gespannter Haut. Prächtig! (Die Begleiterin.) Einer der üppigen Stachelbeerballons platzt, und Saft rinnt aus. Das wird Ärger geben.
An der Grundstücksgrenze der Plantage steht ein Holzkarren, ein alter Leiterwagen, in den die Bauern das Erntegut leeren: Stachelbeeren.
„Schade darum, sie wegzuwerfen“, bedauert der Beerenliebhaber und leckt sich die Lippen.
„Sie sind zu klein oder zu groß, jedenfalls qualitativ den Normen nicht entsprechend“, erwidern die Pflücker.
Der Beerenliebhaber betrachtet sie ausgiebig und versucht sich als Fein­schmecker. Sie sind tatsächlich einigermaßen klein oder grün. Dazwischen allerdings eine große rote. Diese will er kosten. Sie schmeckt süß und optimal.
Denn ist es längst Winter geworden, und wir stapfen über Schneewechten, übersteigen Geländer. Entgegen kommen Kinder, deren Spuren eingefroren sind. ABSTURZGEFAHR! verheißt ein Schild. Es gilt, sich zu wappnen. (Jemand hebt die Tafel auf.)
Einkehr tut not. (Ich lechze nach Buddie’s Café, doch weit und breit nichts dergleichen.) Der Not gehorchend, frequentieren wir die nächstbeste Absteige. Dort redet man von Illustrationen. Dazu spielen die Einheimischen Platten. Wir lassen uns nicht stören, jedoch es lässt sich nicht vermeiden, dass wir mithören. „Unverschämtheit, ich erwarte einen Anruf!“
„Hallo Schwester“, rufe ich die Kellnerin, die mir entgegenkommt und beim Gehen Eintritt verlangt. „Das müsste langen.“ Ich reiche ihr einen Fünfziger, weil ich mich in meiner Geldbörse vergriffen habe. „So wenig bloß!“ In der Hand hält sie Fünfhunderter und Hunderter und wachelt genüsslich. „Für das Gebotene genügt es allemal.“
„Schnorrer“, keift sie, als ob es eine Stripshow wäre. „Bei dir piept es gar.“
Wir sind unverhohlen miteinander per Du.


Der Muskelmann

Jedermann hat vor ihm Angst, denn er ist gewalttätig und brutal. Wiederholt versuchten sie, seiner habhaft zu werden und ihn in einen steinernen Turm zu sperren, vergitterte Fenster dazwischen.

Doch die Gitter sind für ihn kein Hindernis. Er biegt die Stäbe und entkommt. Schändet Vieh und Mensch. „Ich wäre angetan“, frohlockt Fromm, „hielten sie ihn für längere Zeit fest, zögen ihn aus dem Verkehr.“ Sie halten ihn in Gewahrsam. (Polizisten spielt mit.)

„Durch irgendein Mittel“, behauptet Zwerger, „muss man diesem Koloss zu Leibe rücken.“

Mittels einer Tablette gelingt es, ihn zu Boden zu werfen. Der Muskelmann brüllt wie ein kastrierter Stier. An sein Handgelenk klammern sich Zwerger und Fromm. Jemand fällt ihm in den Rücken. Ein Arzt drückt ihm seine Injektionsnadel in die Arschbacke. Jako Benáro schrumpft zu einem Fleischklumpen. Kopf und Oberkörper stülpen sich ein. Nichts als eine Masse, ein Wesen. „Das soll ein Mensch sein? Ein Mensch gewesen sein?“, äußert Fromm und greift sich an zwei Punkte seines Hinterkopfs. Hier hätte er des Morgens fürchterliche Schmerzen gehabt: „Als hätte mich jemand gedrückt, gewaltig gepresst.“


Traumatische Belichtung

Klick klick Krieg. Projizierte Bilder werden an die Wand geworfen. Klick klick klick. Schüsse in der Stadt. Zwischen Mauerschluchten Krieg. Partisanenkrieg. Guerillakrieg. Klick klick klick. Schütze sucht Deckung, schießt, rennt. Klick klick Krieg. Auf der Leinwand mischen sich Bilder aus Wildwestfilmen und dem Bürgerkrieg. Klick klick klick. Atempause. Klick klick klick. Ende der Kassette. KLICK!! Zappenduster.


Mondschifahren

Eine Gruppenreise auf den Mond zum Schifahren und Höhenwandern. Bei der Zwischenstation wird die Gondel gewechselt, und einige vergessen ihre Koffer und Taschen. Meine Hilfsbereitschaft kommt zum Tragen, und ich schleppe mich ab, sodass ich selbst in Verzug gerate. Die Tasche meiner Mutter – worin ein Strudel – bleibt zurück, weil übersehen. „Pommes des malles?“, fragt jemand, oder „pommes de miel?“ – „Nein, Topfen“, sage ich mit grimmendem Magen wegen der Fahrt im Schrägaufzug. Verständnislos schaut man mich an. „Quark! – Käse“, verstehst du. Darauf er: „O – pommes de terre, Erdäpfel.“ Mir wird schlecht von der rasanten Beschleunigung.

Als der Reiseleiter und ich mit Verspätung oben ankommen, haben bereits einige der Teilnehmer ihre Köpfe in den Schnee gesteckt und sich dabei schmerzhafte Sonnenbrände zugezogen. Zur Linderung verabreicht der Reiseleiter einen Doppeltgebrannten. Auf dem Weg zur Hütte spüre ich eine entstehende Brand- oder Fieberblase sich vorwölben, außerdem spannt meine Gesichtshaut. Vom Reiseleiter werde ich entsprechend verarztet. Währenddessen fällt das Licht aus, und er knipst die für solche Fälle vorgesehene Not-Taschenlampe an. Mit seiner Zunge drückt er die Brandsalbe auf die Lippen des Patienten. Man müsse peinlich darauf achten, seine Haut stets vor der Sonne zu schützen. Ich schlage deshalb meinen Mantel penibel über den Beinen zusammen. Indes behandelt der Reiseleiter die eitrigen Köpfe der Schneetaucher. (Das Verlangen nach einem See taucht auf, um unbeschwert sonnenbaden zu können.)

Die Atmosphäre auf dem Mond ist eigenartig und international. Mondän erweist sich als zutreffend. Soeben wird ein neuer Sputnik in das Astromuseum transportiert. Ich finde ihn enttäuschend klein und winzig, richtig mickrig. Auch einige Raketen sind ausgestellt.

 

 
     
     
 
top