Publikationen - Leseprobe  
     
 
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Spreng-Sätze
  „Spreng-Sätze.
     
    Satiren und Gegen-Sätze“      
    1987: Wiener Neustadt, Weilburg-      
    Verlag      
    broschiert      
    vergriffen      
           
               
 
     
 
EINE KULTUR-GESCHICHTE
 
   
 

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Teil A: Ethnologisch-ethische Betrachtungen
Bei den Bedürfnissen und Trieben des Menschen unterscheidet man zwischen sittlichen und unsittlichen. In den meisten zivilisierten Kulturen zählt der Sexualtrieb zu den sittlichen und der Nahrungstrieb zu den unsittlichen.

Schon das Kind empfindet instinktiv das Essen in Gegenwart anderer Menschen - dazu zählen Fremde ebenso wie vertraute Personen, etwa die Eltern - als etwas Verwerfliches, Unkeusches. Schamhaft wird es seinen Appetit unterdrücken.

In früheren, längst untergegangenen Sozietäten, denen jedoch wegen ihrer Lasterhaftigkeit und Zügellosigkeit, wegen des ausschweifenden Lebenswandels ihrer Mitglieder kein langer Bestand beschieden war, gab es welche, bei denen diese Lüstlinge ungehemmt in aller Öffentlichkeit Gelage feierten. Der Zerfall war sowohl natürlich als auch unweigerlich. An langen Tafeln, einer neben dem anderen hockend, stopften diese Kannibalen, anders kann man sie nicht bezeichnen, hemmungslos diverse Leckerbissen und Delikatessen in sich hinein, bis ihnen der Bauch auf eine obszöne und ekelerregende Weise wegstand, sodass sie sich bloß keuchend und schnaufend bewegen konnten - so sie dazu überhaupt noch in der Lage waren. Ohne das Kauen zu unterbrechen, schütteten sie Wein und Bier und Schnaps in ihre Mägen, was sie auch fortsetzten, wenn ihre Teller, Schüsseln und Schalen längst geleert waren. Nicht eher beendeten sie dieses schändliche Treiben, bis ihnen die Köpfe dröhnten und sie nicht mehr wussten, was sie taten. Während diese perversen Schlemmereien die Duldung der Behörden genossen, in besonders krassen Fällen sogar von diesen unterstützt und gefördert wurden, mussten Zärtlichkeiten, gegenseitiges lust- und liebevolles Streicheln sowie jede Art des Beischlafes in die geheimsten Ecken der Privatheit verbannt werden.

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Als Gipfel der Geschmacklosigkeit müssen wohl jene Lokalitäten gelten - Restaurant, Gasthaus, Pizzeria genannt -, wo sich jene Kannibalen vor aller Augen fressend exhibitionierten und dafür auch noch bezahlten. Bisweilen konnten sogar Passanten durch die Fensterscheiben ein Auge auf diese Schweinereien werfen.

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Teil B: Gastritische Untersuchungen
Ein Mädchen, das von einem Mann aufgefordert wird: "Möchten Sie mit mir essen gehen", kann ob dieser Obszönität nicht anders als mit berechtigter sittlicher Empörung und moralischem Abscheu reagieren. Bedauerlicherweise finden sich immer wieder Fressomaninnen, obwohl von Seiten der Behörden und der Gesetze immer rigorosere Maßnahmen gesetzt werden. Die meisten Fressomaninnen sind polizeilich registriert.

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Fressomaninnen laden Männer von sich aus zu Gelagen ein, wofür der Mann die Kosten zu tragen hat. Das gemeinsame Verzehren einer Leberkäsesemmel oder eines Paars Würstchen ist - wie leicht einzusehen - nahezu für jedermann erschwinglich.

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Im allgemeinen schmatzen diese Frauen, bloß um dem mitessenden Mann das Gefühl zu vermitteln, dass ihnen das Essen munde. Manche pervers Veranlagte verweigern Besteck und Serviette und fressen mit den bloßen Fingern.

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Wer sich den Besuch eines Schlemmerrestaurants nicht leisten kann oder es aus beruflichen oder sonstigen Gründen vorzieht, sich nicht dem Risiko auszusetzen, in der Öffentlichkeit gesehen, beim Beifraß ertappt zu werden, kauft sich Kochbücher mit farbigen oder schwarz-weißen Abbildungen von Gelagen, Kataloge von Leckereien und Leckerbissen, sogenannte Fressographien, die seinen Hunger anregen, ja mitunter sogar steigern.

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