Über eine der
niederträchtigsten schweigt man sich gemeinsam und beharrlich aus.
Unter den Mitwissern geteilte Schuld gibt vor, vernachlässigbar zu
sein. Mit jedem Jahrzehnt verstärkt sich die Mauer der Undurchlässigkeit;
die Zeit tröstet die scheinheiligen Gewissen.
Der Anfang der Geschichte
liegt irgendwann in den Jahren 1937 oder 1938. In einem Ort im Seewinkel,
am Ostufer des Neusiedlersees, lebte ein Kaufmann. Er war Jude und Besitzer
eines Gemischtwarenladens. Was seine finanziellen Belange betraf, war
er nicht arm, und es schien, als habe das Schicksal es wohlwollend mit
ihm gemeint. Unter seinen Mitbürgern war er mäßig beliebt;
seines Geldes wegen wurde er respektiert.
Dann kam für
sieben Jahre das Tausendjährige Reich ins Land. Und die Geschichte
nahm ihren Lauf. Statt Österreich hieß es nun Ostmark, und
an die Stelle der Achtung trat die Ächtung. Gewisse Dorfbewohner
befolgten eifrig die neuen Gesetze. Aus versteckten Gehässigkeiten
wucherten offene Anfeindungen. Das Recht stand traditionell auf der Seite
der Mitläufer. Der Rauch der Verbrennungsöfen stank zum Himmel,
und die offizielle Kirche beweihräucherte eilfertig die Herrschenden
und stellte ihre Gebete in den Dienst der braunen Machthaber. Dem jüdischen
Kaufmann wurde die Nachricht überbracht, daß er mit seiner
Deportation zu rechnen habe. Der Abtransport sollte in wenigen Tagen erfolgen.
In aller Diskretion
machten sich zwei unverdächtige Mitmenschen anheischig, ehrsame Bürger,
dem Krämer zur Flucht zu verhelfen. Es gäbe jemanden am Westufer
des Sees, der über die nötigen Verbindungen verfüge. Für
diesen Gefallen müsse der Jude sich selbstverständlich erkenntlich
zeigen, eine kleine Aufmerksamkeit bloß, brächten sie dadurch
sich selbst und ihre Familien in erhebliche Gefahr, Lebensgefährlichkeit
sogar.
Zum vereinbarten Zeitpunkt
traf man sich am Ufer des Sees. Mit einem Ruderboot würde man ihn
hinüberbringen.
Das Boot stieß
ab, und die beiden Helfer ergriffen die Ruder. Etwa in der Mitte des Sees
unterbrachen sie das Rudern.
Was gibt es?
mißtraute der Jude.
Wenn du dieses
Dokument unterschreibst, bringen wir dich heil ans andere Ufer. Andernfalls
kehren wir um. Unverzüglich. Was das für dich bedeutet, weißt
du selbst: Deportation in ein KZ und Tod.
Der Kaufmann unterzeichnete
die vorbereitete Schenkungsurkunde. Nun besaß er nichts mehr außer
seinem nackten Leben.
Was sind schon
Geld und Reichtum, Geschäft und Besitz gegen die Ewigkeit,
sprach einer der soeben Beschenkten. Mit ihren Rudern schlugen sie zu.
Traten ihn aus dem Boot und ertränkten ihn.
Sodann kehrten sie
wohlbehalten zurück.
Übereinstimmend
werden sie von einem Unglücksfall berichten.
Einer der Beteiligten
dient heute der Gerechtigkeit und versieht seine Pflicht als Gendarm.
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