Publikationen - Leseprobe  
     
 
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  „Der Hof“
     
    Text-Fotoband      
    (mit Jindrich Streit)      
    1995: Weitra, Bibliothek der Provinz      
    € 37,00      
           
           
               
 
     
 
 
   
 

Vor 35 Jahren haben wir die Landwirtschaft erworben, wir waren 18 Bauern im Vollerwerb und jetzt bin ich der letzte. Die Abwanderungswelle hört nicht auf, weil der ländliche Raum einen großen finanziellen Aufwand erfordert, Maschinen, Arbeiter. Arbeiter und Maschinen sind gleichwertig, also kauft der Bauer Maschinen und bekommt Schwierigkeiten, wenn die Maschinen nicht richtig genützt werden. Er sagt sich, da gehe ich als Arbeiter, habe mein Wochengeld, dann die Pension und muss den Betrieb nicht weiterführen. Seit dem 1. Mai bin ich in Pension. Man hat keinen Besitz mehr, kein Recht, sobald Übergeben ist, erlischt das Mitspracherecht, das Berechtigungsrecht, dass man seine Wünsche äußern, etwas einteilen könnte. Bei uns geht das noch.

(...)

Ein Bauer muss heute viel können, er muss vielseitig sein. Der Bauer ist immer als Dummer hingestellt worden, aber er muss sich in jeder Sparte auskennen, er trägt ein großes Risiko, viel Verantwortung. Früher war der Bauer zu 80 Prozent Selbstversorger, nur 20 Prozent hat er auf den Markt gebracht. Heute ist es umgekehrt. Das Schwierigste bei der Vermarktung ist, einen Partner finden, der kauft und zahlen kann, man muss abzuschätzen, wie weit kann ich mich mit jemandem einlassen. Der Bauer ist kein freier Mensch mehr. Jeder Händler oder jede Firma bestimmt, wie viel ich bekomme, sie bieten einen Preis an, ohne dass der Bauer etwas mitzureden hat.

(...)

Mein Lebensrhythmus ist Gleichmäßigkeit. Beim Essen und bei allem habe ich es gern. Ich esse nur, was mir schmeckt. Wegessen kommt nicht in Frage. Wenn ich spüre, dass mein Sättigungsgrad da ist, beim Trinken wie beim Essen, will ich keine Überdosis mehr zu mir nehmen. Fleisch brauche ich wenig, eher Obst und Gemüse. Man hat ein inneres Gefühl und spürt, was einem gut tut und was nicht. Verdorbene Sachen kann ich nicht essen, da bin ich empfindlich. Nicht, dass ich sonst empfindlich wäre, aber mein Körper hat sich eingestellt auf eine frische und gesunde Ware, ist hineingewachsen.

(...)

Oft sinniere ich in der Nacht. Soweit bin ich religiös, dass ich mir denke, meine Welt ist nicht diese Welt, und es gibt ein Jenseits. Vorbilder habe ich wenige auf dieser Welt, denn wer die Menschen kennt, liebt nur mehr die Tiere, sie sind ehrlicher und aufrichtiger. Im gewissen Maß sind Gott und Göttlichkeit für mich ein Vorbild, aber die Christlichkeit, wie Pfarrer oder andere, die den Glauben verkünden, hat nicht immer in meinem Gedankengang Gleichwertigkeit. Ich habe nichts gegen Christus und gegen die Christlichkeit, ich weiß, dass es Gebote gibt und dass man danach leben soll, aber der Mensch ist eine bewegliche Sache, und der Herrgott hat die Menschen nicht auf die Welt gestellt, damit sie wie im Paradies leben, das darfst du machen und das nicht. Das ist nicht vorgeschrieben. Jeder Mensch hat seine Bewegungsfreiheit. Wenn er einen guten Geschmackssinn und einen Instinkt hat, weiß er, was in Ordnung ist.

(...)

Es ist ja bloß eine kurze Zeit, die wir auf der Welt sind, selbst wenn man 70 Jahre hier verbringt, niemand ist ewig da. Jeder muss arbeiten und beten, als ob man alle Tage sterben könnte. Ich lebe schon in religiöser Weise, sogar wenn ich mit dem Auto fahre, schaue ich in den Himmel und denke mir, wenn der Herrgott runter schaute.

 
     
     
 
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