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Nicht
der einzige bin ich, der sich in das Bild verliebt hat. Das Bild: Über
der linken Gesichtshälfte scheiteln sich die langen, offenen Haare.
Fallen auf die Schultern und den Rücken. Die Lippen lächeln
voll und akzentuieren das Gesicht. Sehnsüchtig-verlangend blicken
die Augen dem Betrachter entgegen, ein Feuer in ihnen, als wäre man
der Liebhaber, fordern ihn auf, sich auf das Bild einzulassen. Der rechte
Arm winkelt sich zum Kopf, so dass die Hand sich hinter der Wange unter
den Haaren vergräbt. Eine Nase, die sich einprägt. Wäre
ich diesem Porträt zu Lebzeiten begegnet, es hätte mich nicht
losgelassen.
(...)
Sie war die hübscheste
ihrer Klasse. Obwohl einige ihrer Mitschülerinnen nicht unansehnlich
waren, verfügte sie über jene Ausstrahlung, der man nicht widerstehen
konnte. Ihre Stimme kroch sich fest im Innersten, man hatte dagegen keine
Abwehr, war ihr ergeben, die Stimme nötigte einen zur Auslieferung.
Mit ihrer Stimme konnte sie zaubern. Sie bezauberte nach Lust und Laune.
Die Männer begriffen bloß die Lust und missachteten das Spiel.
Ihre Puppen waren von männlichem Geschlecht, und sie genoss es, zu
spielen. Sie kleidete sich spielend und mit sattem Vergnügen. Und
nahm das Leben wahr.
Die Wahrheit des Polizeiberichts nannte die Leichen mit ihren Namen, nannte
sie Vera und siebzehnjährig, Schülerin einer Modeschule. Dem
Arzt hatten die Behörden sein Doktorat aberkannt, nachdem er illegale
Eingriffe vorgenommen hatte. Das Gesetz untersagte sein Handeln. Als Vertreter
von Staubsaugern und elektrischen Geräten hatte er sich gefristet.
Daneben galt seine Adresse als Geheimtipp. Wenn es sein wollte, schabte
er.
(...)
Vera war im vierten
Monat schwanger gewesen. Sie hatte ihren Pelzmantel versetzt, jenen Pelzmantel,
der sie trefflich kleidete, in dem sie sich als venus in furs darstellte.
Eine Mitschülerin hatte sich von ihrem Schmuck getrennt, um der Freundin
finanziellen Beistand zu leisten. In der Klasse wurde gesammelt, um Vera
auszuhelfen, doch genügend war es nicht gewesen.
(...)
Die Nachforschungen
der Kriminalpolizei konzentrierten sich auf die beiden Liebhaber, von
denen man annahm, dass einer der Vater des Kindes sei. "Ich hatte
mit Vera seit längerer Zeit keinen Kontakt mehr", wies der eine
diese Unterstellung von sich. Der andere, ein Möbelhändler,
formulierte denselben Satz. Welcher die dunklen Augen und welcher die
eindringliche Stimme geliebt hatte, kam nicht zur Sprache. Danach wurde
nicht verhört. Wiewohl da ein weiblicher Körper war, der über
Reize verfügt hatte, indes von diesem war nichts mehr übrig
als verkohlte Reste in einem ausgebrannten Autowrack, das einer Holzsammlerin
aufgefallen war.
(...)
Dass es ein Autounfall
gewesen sei, wurde angezweifelt.
(...)
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