Publikationen - Leseprobe  
     
 
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  „Der ertrunkene Fisch“
     
    Erzählungen      
    1996: Weitra, Bibliothek der Provinz      
    € 19,00      
           
           
           
               
 
     
 
IN IHREN AUGEN FEUER
 
   
 

Nicht der einzige bin ich, der sich in das Bild verliebt hat. Das Bild: Über der linken Gesichtshälfte scheiteln sich die langen, offenen Haare. Fallen auf die Schultern und den Rücken. Die Lippen lächeln voll und akzentuieren das Gesicht. Sehnsüchtig-verlangend blicken die Augen dem Betrachter entgegen, ein Feuer in ihnen, als wäre man der Liebhaber, fordern ihn auf, sich auf das Bild einzulassen. Der rechte Arm winkelt sich zum Kopf, so dass die Hand sich hinter der Wange unter den Haaren vergräbt. Eine Nase, die sich einprägt. Wäre ich diesem Porträt zu Lebzeiten begegnet, es hätte mich nicht losgelassen.
(...)


Sie war die hübscheste ihrer Klasse. Obwohl einige ihrer Mitschülerinnen nicht unansehnlich waren, verfügte sie über jene Ausstrahlung, der man nicht widerstehen konnte. Ihre Stimme kroch sich fest im Innersten, man hatte dagegen keine Abwehr, war ihr ergeben, die Stimme nötigte einen zur Auslieferung. Mit ihrer Stimme konnte sie zaubern. Sie bezauberte nach Lust und Laune. Die Männer begriffen bloß die Lust und missachteten das Spiel. Ihre Puppen waren von männlichem Geschlecht, und sie genoss es, zu spielen. Sie kleidete sich spielend und mit sattem Vergnügen. Und nahm das Leben wahr.
Die Wahrheit des Polizeiberichts nannte die Leichen mit ihren Namen, nannte sie Vera und siebzehnjährig, Schülerin einer Modeschule. Dem Arzt hatten die Behörden sein Doktorat aberkannt, nachdem er illegale Eingriffe vorgenommen hatte. Das Gesetz untersagte sein Handeln. Als Vertreter von Staubsaugern und elektrischen Geräten hatte er sich gefristet. Daneben galt seine Adresse als Geheimtipp. Wenn es sein wollte, schabte er.
(...)


Vera war im vierten Monat schwanger gewesen. Sie hatte ihren Pelzmantel versetzt, jenen Pelzmantel, der sie trefflich kleidete, in dem sie sich als venus in furs darstellte. Eine Mitschülerin hatte sich von ihrem Schmuck getrennt, um der Freundin finanziellen Beistand zu leisten. In der Klasse wurde gesammelt, um Vera auszuhelfen, doch genügend war es nicht gewesen.
(...)


Die Nachforschungen der Kriminalpolizei konzentrierten sich auf die beiden Liebhaber, von denen man annahm, dass einer der Vater des Kindes sei. "Ich hatte mit Vera seit längerer Zeit keinen Kontakt mehr", wies der eine diese Unterstellung von sich. Der andere, ein Möbelhändler, formulierte denselben Satz. Welcher die dunklen Augen und welcher die eindringliche Stimme geliebt hatte, kam nicht zur Sprache. Danach wurde nicht verhört. Wiewohl da ein weiblicher Körper war, der über Reize verfügt hatte, indes von diesem war nichts mehr übrig als verkohlte Reste in einem ausgebrannten Autowrack, das einer Holzsammlerin aufgefallen war.
(...)


Dass es ein Autounfall gewesen sei, wurde angezweifelt.
(...)

 
     
     
 
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