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1. Satz: Allegro
espressivo
Alfred Hrdlicka rotiert unheimlich schnell, erfasst Zusammenhänge,
begreift im Handumdrehen, worum es geht, versprüht Energie, beim
Tanzen ebenso wie beim Bildhauern, Radieren, Diskutieren, wobei er eine
nach der anderen raucht, wenn er sich konzentriert, wie ein Tiger auf
und ab laufend, während er sich eine Rede ausdenkt, aus dem Stegreif,
etwa für eine Veranstaltung der "Künstler für den
Frieden", spontan, aus dem Handgelenk, dabei den Kern der Sache präziser
trifft als manch anderer in langwieriger Tüftelei, im Kaffeehaus
und anderswo seine Armbanduhr vom Handgelenk nimmt, sie neben sich lebt
und einen kleinen Mokka nach dem anderen trinkt, zwischendurch Zeitungen
liest, schneller die Weltpresse überfliegt als so mancher Lokalblätter
umblättert, mit dem klaren Durchblick für Kunst und Politik,
indessen einen Klaren kippt, bevorzugt Wodka, dagegen Whisky beharrlich
verachtet, auch wichtige Dinge in Plastiksackerln mit sich herumschleppt,
diese dann und wann liegen lässt, zurück eilt, als Wiener charakteristisch
schmähgewandt nicht selbst Auto fährt, sondern sich der Einreichung
des Taxis bedient, der Eile wegen und auch sonst.
2. Satz: Adagio
sforzando
Beim Tanzen bevorzugt er Tagesschlager, Gebrauchsmusik, seine Hände
gebraucht er gewaltig beim Bildhauern, Radieren, sie sind kräftig
ausgeprägt die Hautfalten an den Fingergelenken, in ihrer Art meditative
Kunst, wie Hrdlicka die Figuren dem Stein entreißt, über Jahre
hindurch, immer wieder unterbricht, fortsetzt, innehält, lediglich
mit Muskelkraft den Blick bearbeitet, das Brechen des Steins reibt sich
am Willen des Bildhauers, Pressluft ist ihm in diesem Zusammenhang fremd,
denn Fehler können nicht mehr korrigiert werden, was abgeschlagen
ist, lässt sich nicht mehr hinzufügen, angeschlagen ist auch
durch langjährige Praxis sein Kreuz, die Wirbelsäule schmerzt,
selbst die Brüche seiner Hände konnten ihn nur bedingt von der
Arbeit abhalten, nämlich sich im Stein auszudrücken, von der
Stripperin mit der Python in jenem Nachtlokal hat ihn deren Rückenmuskulatur
fasziniert, vielleicht hockt sie längst in einem Marmorblock, denn
Steinbildhauerei ist Schwerstarbeit.
3. Satz: Scherzo
"Hrdlicka und die Öffentlichkeit" hieß jenes "Reibflächenmultiple",
das Hrdlicka als "Avantgardisten" auswies, mit grünem Einband,
rotem Glaspapierumschlag, eigenhändig von Künstler und Herausgeber
aufgeklebt, die gesamte Auflage, "für Holz oder Metall?"
mit handgehäkeltem Umschlag als Luxusausgabe und mit Glaspapieraußenseiten
die "Volksausgabe", das asoziale Buch, das seine Bücherschranknachbarn
zerkratzt, ein Buch von hohem Gebrauchswert, etwa zum Fingernägel
feilen oder zur Durchführung von Schleifarbeiten an Holz- oder Metallgegenständen,
worum wir uns aber nicht weiter gekümmert haben, ebenso wenig wie
um tatsächliche Korndurchmesser des roten Glaspapiers, das laut Verkäuferin
von unterschiedlicher Feinheit sei, wobei ihr schleierhaft blieb, dass
es einem gleichgültig sein kann, ob das Schleifpapier nun für
Holz oder Metall geeignet sei, jedoch das Autogramm "Alfred Hrdlicka"
für Sohn, Tochter oder Enkel ließ sich gewiss gegen die Unterschrift
eines Unterklasse-Fußballers eintauschen.
4. Satz: Rondo
Seine Privatheit verbirgt Hrdlicka hinter Schnurren, im Schnurrenerzählen
ist er Weltmeister, zumindest von Wien und Umgebung, diesem unruhigen
Geist fällt einiges ein, aber ebensoviel auf, wobei sein Schmäh
Gegebenheiten auf den Nagel trifft, sodass sich immer wieder Leute auf
die Zehen getreten fühlen, weil Hrdlicka ausspricht, was er sich
denkt, also ist er, nämlich einer, der Partei ergreift, um gegen
Wahnwitzigkeiten und andere Betrüblichkeiten diversester Art zu polemisieren,
die sich manche allenthalben ausdenken, statt letzteres den Pferden zu
überlassen, die immer noch den größeren Kopf, aber so
gut wie keinen Einfluss haben, weil sie vermutlich in den falschen Sätteln
sitzen, also zäumt Hrdlicka, dessen Atelier auf dem Gelände
des Wiener Trabrennvereins liegt, das Pferd vom Schwanz auf, schlussendlich
konsequent in seinen Folgerungen, entsprechend dessen Handlungen, darauf
trinken wir einen, dazu Mineralwasser, denn Kunst entsteht nicht im luftleeren
Raum.
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