Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension „Blinder Passagier nach Petersburg" – Uli Rothfuss  
SWO Kulturportal, 19.6.2009
http://www.swo.de/ktbuchtipp231.html
   
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
Der Gruftspion
 

Manfred Chobot

       
   

Blinder Passagier nach Petersburg
Essays und Interviews.

     
   

Brosch.

     
   

264 S.

     
   

edition lex liszt 12, Oberwart 2009,

     
   

20,-- Euro

     
           
               
 
   
     
     
  „Blinder Passagier nach Petersburg“
- Essays und Interviews von Manfred Chobot

Manfred Chobot ist das Multitalent der zeitgenössischen österreichischen Literatur: ein Changeur zwischen den literarischen Formen, ein Weltreisender in Sachen Literatur, Literaturorganisator und passionierter Zigarrenraucher. Eigentlich an sich schon ein Gesamtkunstwerk.

Jetzt gibt es (endlich!) in einem Buch die Zusammenstellung seiner Essays und Interviews zu entdecken. Und was sich da vor dem Leser auftut, ist eine wahre Fundgrube. Beispiel: das Gespräch mit Jorge Semprún. Chobot fordert den weltbekannten Schriftsteller heraus, wenn er nach dessen Verständnis von Politik und Literatur fragt; und Semprún antwortet offen, berichtet von seiner Prägung durch den Zwangsaufenthalt im KZ Buchenwald, diesen Zwang, Erfahrungen niederschreiben zu müssen; aber zuerst als innere Notwendigkeit damals der Gang in die Politik gegen Franco, um nicht in der Erinnerung zu verharren, erst später das Schreiben, das Befreien – Literatur und Politik als Wechselwirkung.
Oder: der Essay über den „vergessenen Autor“ Arthur Hollitscher, einen Visionär seiner Zeit, dessen Bücher in der deutschen Katastrophe verbrannt wurden, der während eines Paris-Aufenthaltes von Hitlers Machtergreifung überrascht wurde und Hals über Kopf in die Schweiz entkam.

Manfred Chobot versteht es, dem Leser solche außergewöhnlichen Biografien mit einer eigenen Sichtweise nahe zu bringen, seine Essays gehören gerade deswegen zum Besten, weil sie eben gut zu lesen, nicht verklausuliert, sondern dazu noch spannend geschrieben sind. Kapitel über Christine Nöstlinger oder den Gründer des Gugginger „Haus der Künstler“ Leo Navratil, und zwei liebevoll gezeichnete literarische Porträts von Alfred Hrdlicka machen dieses Buch zu einem Mosaik zeitgenössischer Gesamtkunst, zusammengehalten durch den Chobot’schen Geist der Integration.

Uli Rothfuss

 
 
 
 
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