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Manfred Chobot: „Aloha! – Briefe aus Hawaii“. Wien: Sonderzahl, 2008. 201 Seiten
Wenn einer eine Reise tut,
dann kann er was erzählen.
Drum nähme ich den Stock und Hut
Und tät das Reisen wählen.
(Matthias Claudius)
„Eine Reise beginnt mit dem ersten Schritt in die richtige Richtung“, so lautet ein hawaiianisches Sprichwort.
Der 1947 in Wien geborene und lebende Autor, Kosmopolit und Weltenbummler Manfred Chobot ist neben vielen anderen Publikationen bekannt für seine Reisegeschichten. Ein Buch unter dem Titel „Reisegeschichten“ erschien bereits 2004 im Verlag Bibliothek der Provinz, sowie „Maui fängt die Sonne“ in Verlag Deuticke, 2001.
Der Autor ist passionierter Surfer und es war nur mehr eine Frage der Zeit, dass er dem Land bzw. den Inseln, wo das Surfbrett und das Wellenreiten erfunden wurden, ein eigenes Buch widmet – „Aloha!“ – ein Buchtitel mit dem hawaiianischen Wort für Servus. 14 Briefe schreibt Chobot an seine Liebste in die Heimat. Wann und wie lange er dort weilte, verrät er uns leider nicht.
Der Briefstil befreit natürlich den Schreiber von jeglicher Chronologie seiner Erzählung und so kann Manfred Chobot sein Wissen über Geschichte, Mythen und Traditionen freien Lauf lassen. Dazu sind die Briefe immer mit Zeitgeschehnissen, Erlebnissen und Besonderheiten, die dem Autor widerfahren sind, humorvoll geschmückt und bilden zum umfangreichen Geschichtlichen eine angenehme Auflockerung.
„Jeder Reisende, der hawaiianischen Boden betritt, muss ein Formular ausfüllen, womit er bestätigt, weder Pflanzen, Samen oder Früchte mitzuführen, denn es bereitet den Hawaiianern große Sorge, dass Krankheiten eingeschleppt würden […] Ich kann das gut verstehen, immerhin hatten die ersten Fremden, nämlich Cooks Seeleute, sogleich die Syphilis mitgebracht.“ (S. 9). Chobot ist sichtlich um die hawaiianische Kultur bemüht. Ihre Authentizität leidet unter amerikanischer Flagge.
„Als die Amerikaner die Inseln 1898 okkupierten, obwohl Hawaii vom Standpunkt des Völkerrechts eine Republik war, verpassten sie den Einwohnern amerikanische Pässe. Nicht jedoch den Asiaten, die immerhin für das Land geschuftet […] hatten. Nicht alle sind gleich in einer Demokratie, schon gar nicht in der US-amerikanischen.“ (S. 87). Chobot bleibt sonst jedoch relativ unpolitisch in seinem Buch. Er beschreibt zwar die Problematik der dahinschwindenden hawaiianischen Traditionen, spricht jedoch nicht von der Trägheit der Hawaiianer ihre eigene Sprache im Schulwesen als Pflichtfach zu verlangen und durchzusetzen. So bleiben nach meinem Wissen lediglich die Straßenschilder in einheimischer Sprache. Fließend Hawaiianisch spricht hier kaum jemand mehr.
Trotz angenehmer, interessanter und wissensreicher Lektüre vermischt sich in Chobots Erzählungen gern das typisch Hawaiianische mit dem typisch Amerikanischen.
„So sind die Hawaiianer polynesischer Abstammung noch immer. Dennoch sind sie nicht fett, sondern fleischig. Als neben mir im Supermarkt ein Pärchen samt ihren Kindern an der Kasse angestellt stand, kam ich mir vor wie ein Menhune-Heinzelmännchen – allerdings ohne magische Kraft. […] Mit einem Mal fand ich es nicht mehr verwunderlich, dass Ketchup in Zwei-Kilogramm-Verpackungen in den Regalen steht und der Truthahn nahezu gleich groß ist wie ein neugeborenes Kalb. Mayonnaise im Fünf-Kilogramm-Kübel, kaum teurer als die Mini-Packungen.“ (S. 71). Hierbei muss man sagen, dass dieses Kaufverhalten mit gerade diesen Produkten ein typisches Beispiel des American Way Of Life ist. Dafür gibt es auf Hawaii überwiegend durchschnittlich gewachsene Menschen. Eine auffällige Minderheit sind allerdings sehr große und an extremer Fettleibigkeit leidende Hawaiianer. Eine genetische Erkrankung, wie man mir berichtete, die auf Hawaii verstärkt im Vergleich zum Rest der Welt auftritt. Vermutliche Quelle ist die vor langer Zeit mit Vorliebe praktizierte geschwisterliche Inzucht, die in diesem Buch historisch sehr gut beschrieben wird.
In Chobots Darstellungen kommen die Natur, die Tierwelt, die Botanik und natürlich auch die Vulkane auf Hawaii nicht zu kurz. Unklarheiten gibt es auf Seite 102 und 103: „Ich habe es zwar schon erwähnt, möchte es aber dennoch wiederholen: Der höchste Berg der Welt ist der Mauna Loa mit 17.170 Metern! – 4170 Meter ragen über den Meeresspiegel hinaus. Bis zu Meeresgrund sind es noch einmal 5000 Meter. Durch sein gewaltiges Gewicht hat der Mauna Loa die Erdkruste um 8000 Meter nach unten gedrückt. Wie man das wissen will, fragst Du Dich?“ Ja, das frage ich mich, auch wenn es „Für die Wissenschaft kein Problem“ ist. Laut meines hawaiianischen Wissen und auch laut Wikipedia ist „der Vulkan Mauna Kea (hawaiianisch für Weißer Berg) mit 4214 m der höchste Berg auf Hawai’i.“ Und dann geht es weiter mit „Da seine gesamte Höhe vom Fuß unter Wasser bis zum Gipfel etwa 10.205 Meter und er ist nach dieser Messung der höchste Berg der Erde.“ Wie können wir uns einig werden, Herr Chobot?
A propos Internet! „Wie gefällt Die die folgende aufschlussreiche Abhandlung aus dem Internet über die grüne Insel?“ (S. 168) Die drei Seiten lange Computer-automatisierte Übersetzung ist grässlich und der Autor hätte sie sich sparen können, da sie zur Aufwertung des Buches rein gar nichts beiträgt.
Obwohl Chobot auch in diesem Buch sehr viel Liebe zum Detail beweist, schneidet er in seinem 12. Brief „Pearl Harbor – Perlmuscheln und Unterseeboote“ das gewichtige Thema Pearl Harbor mit seinem USS Arizona Memorial lediglich nur an. Erstaunlich, denn gerade am Beispiel von Pearl Harbor ließe sich die amerikanische Annexion am anschaulichsten vorführen. Bis vor dem Anschlag 9/11 in New York, als die Twin Towers in den Erdboden versanken, waren es vorwiegend Japaner, die dieses Memorial besichtigten, wahrscheinlich aus einem kleinen Triumphgefühl heraus, trotz großer Niederlage. Immerhin war die USS Arizona (BB 39), die bereits 1916 ihre Indienststellung hatte und erst 1929 zur Pazifikflotte verlegt wurde, eines der mächtigsten Schlachtschiffe der damaligen Zeit und sie wurde von den Japanern am 7. Dezember 1941 versenkt. 1.177 Männer der Besatzung starben und für 1.102 wurde die Arizona die letzte Ruhestätte. Chobot, der für jede Spitzfindigkeit offen ist, hat hier wohl übersehen, dass gerade diese 1.102 Männer, die das Schiff nie verlassen haben, sich laut Definition noch im Dienst befinden. Ich glaube kaum, dass irgendeine Witwe Anspruch auf den Sold ihres gefallenen Gatten hatte… Erst nach 9/11 haben sich die Amerikaner besonnen und sich an eine andere Infamie erinnert – Pearl Harbor. Seither pilgern unzählige US-Bürger zu dieser Gedenkstätte, die einen, um sich die Verletzbarkeit einer Weltmacht, die anderen, um ihre Rachegelüste und Kriegsbereitschaft bewusst zu machen. That’s America!
So wie sich die Rezensentin kaum zurückhalten kann, animiert Manfred Chobot offensichtlich zum Gedankenaustausch. Dies ist ein Buch nicht nur für die, die schon auf den Sandwich Inseln waren, sie in Erinnerungen schwelgen lässt und dabei mit fünffachem Wissen bereichert, nein, es ist auch ein Buch, das die Reiselust entfacht, den Wunsch Hulatänze zu lernen und die Sehnsucht nach gefährlichen Brandungen weckt.
Ingrid Reichel |
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