Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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1978: Rezension „Briefe der Hausmeisterin Leopoldine Kolecek“ – Alois Vogel  
Wiener Neustädter Zeitung“, 10. Oktober 1979
   
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
Der Gruftspion
  „Briefe einer Hausmeisterin“
     
   

herausgegeben von Manfred Chobot, illustriert von Alfred Hrdlicka

     
    Edition Ernst Hilger, Wien 1978, 59 Seiten      
   

 

     
           
   

 

     
           
               
 
   
     
     
 

Zeugnis der Zeit

Daß gefundene Objekte oder Spurensicherungen, wir kennen die Begriffe von der bildenden Kunst, oft eine Situation der Zeit, das Befinden einer Gesellschaft stärker kennzeichnen, als manches künstlerische Gebilde, wird hier wieder einmal bewiesen.
Von einem „Nichtkünstler“, aus profanem Anlaß geschaffen, wird diese Hervorbringung von einem wachen Menschen gefunden, entstaubt und präsentiert. Und nun merken auf einmal viele, daß hier ein sehr treffendes Zeugnis der Zeit vorliegt.
So ist es auch mit den von Manfred Chobot herausgegebenen Briefen eine Hausmeisterin. Sie wurden auf einer Mistg’stätten in Oberösterreich aufgelesen, sind voll grammatikalischer und orthographischer Fehler, sprunghaft im Stil und geben gerade in dieser, nicht nachzumachenden Diktion eine genaue Schilderung einer sozialen Schicht wieder. Es sind jene Minderheiten, die in meiner Generation hauptsächlich durch zugewanderte Böhmen gestellt wurden, die untergeordnete Berufe ergriffen und mit Sprachschwierigkeiten zu kämpfen hatten, und es sind, wie der Herausgeber im Vorwort richtig bemerkt, heute die jugoslawischen Gastarbeiter, die wir auch fast schon in jedem Haus als Hausmeister antreffen. Es wird von ganz simplen Dingen berichtet, von notwendigen Reparaturen an einem Wiener Miethaus, vom Tratsch der Parteien, doch wer genau liest, dem reihen sich die unbeholfenen Wortreihen zu Schicksalen von Menschen der Jahre um 1955 eindringlicher als in vielen „richtig“ geschriebenen Romanen bekannter Autoren.
Die Tuschezeichnungen von Alfred Hrdlicka ergänzen den Band in einmaliger Weise. Ergänzen, weil sie weit über den Text hinausgehen, weil man bei ihrer Betrachtung merkt, daß bei dem Graphiker der Text sich verselbständigt, ihn anregt weiterzudenken und weiterzufabulieren, und weil Hrdlicka auch das Leben in Häusern wie jenem, von dem die Zeilen der Hausmeisterin Kolecek berichten, selbst gut kennt. Originell auch der Einband, der einem Zinsbüchl, wie es in vielen Häusern usuell war, nachempfunden ist. Eine der Vorzugsausgabe beigebundene Originalradierung des Künstler erhöht den Wert des Buches besonders für Hrdlicka-Sammler.

Alois Vogel

 
 
 
 
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