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Vom Lieben,
Leben, Sterben, Da- und Wegsein
Neue Gedichte und BildGedichte von Manfred Chobot
"nach dirdort",
Gedichte, BildGedichte, heißt Manfred Chobots jüngste Lyriksammlung.
Der schöne Titel dieses Bandes steckt übrigens im Gedicht "oasensage"
aus dem ersten der fünf Abschnitte, in die Chobot seine neuen Gedichte
unterteilt hat: "der bauch im kopf", "wechselbad mehrmals
täglich", "die hucke voll ins fäustchen", im
kaffeesatz liegt der sud" und "notfalls fließt das wasser
bergauf".
Die Stimmungen in diesen ausschließlich in Hochsprache gehaltenen
Gedichten des bekanntlich auch zu den wichtigsten Dialektautoren dieses
Landes zählenden Manfred Chobot reichen von sanfter Ironie bis zu
ausgeprägter Melancholie, in die sich gelegentlich auch Zorn mengt.
Mit einer geballten Ladung Liebesgedichte beginnend, führt die poetische
Reise von der Sucht der Sehnsucht bis in die Niederungen heutigen realen
Lebens, wenn im "hexenzweimalzwei" das Zauberwort schlicht "PR"
lautet. (Wir erinnern uns: Günther Anders fand seinerzeit auf seine
hellsichtige Weise die Formel "Sein heißt Werbend-Sein"
- daran hat sich im Wesentlichen nichts geändert.)
Das Gedicht "beileibe verzehrend einverleiben" beginnt mit der
Zeile "ich schreibe weil ich bin" und endet mit "schreibe
ich mir mein / zeitalter vom leibe". Das geschieht bei Manfred Chobot
aber nicht so, dass er es nicht sehr genau sähe!
Die Sanftmut verlässt er bis hin zum offenen Zorn, wenn er - und
damit befindet er sich natürlich in großer Tradition - in seinem
"testament" betitelten Gedicht fordert: "wenn ihr mich
eingrabt / werft den pfarrer hinaus / mitsamt seinen dämlichen sprüchen
/ vom mitbruder Manfred und so / und dem ganzen schmäh vom neuen
leben". Immerhin heißt es in einem ganz anderen Gedicht einmal:
"die wahrheit hat mehrere ausgänge" - die Flucht ins Religiöse
ist bei Manfred Chobot in diesem Buch nicht dabei. Deshalb heißt
das letzte Gedicht der Sammlung zwar "gebet", widmet sich aber
dem Auto.
Insgesamt erweist sich das ganze Buch als erfreulich esoterikfreie Zone.
Und das ist in unseren Tagen gar keine Selbstverständlichkeit mehr.
Da geht es Chobot in einer Reihe von Widmungsgedichten lieber um konkrete
Personen - adressiert an Autorinnen wie Friederike Mayröcker oder
Maler Karl Anton Fleck, Hans Staudacher, Gunter Damisch oder August Walla.
Höchst gelungen beispielsweise das Franz Schwarzinger zugeeignete
Gedicht: "köpf du mich / wie ich dich / kringelkritzelkranz
/ verrenkungstanz / ohnetitelfranz / schwanz / kunstgeschlechtlich / schlingelschlanz
/ (gar & ganz)".
Viel Persönliches vom Lieben und Leben und Sterben enthält dieser
Band. In einem sechsteiligen Zyklus umkreist Manfred Chobot beispielsweise
den "todestag meines vaters".
Der Vater kommt auch in dem starken Poem "vergebung" von: "ich
hätte gerne einen anderen / vater gehabt und eine andere / mutter
die liebe ausspricht / so daß ich verstehe was man mir nimmt //
und ich nehme mir die freiheit / ein anderer geworden zu sein / den ihr
kennengelernt hättet / aber ich vergebe euch mein leben / für
das ihr nichts könnt".
Auf vielfältige Weise geht es um den Tod - etwa den der Großmutter,
die von ihrem Enkel fotografiert wird, während die Tote auf dem Fußboden
liegt wie eine lebensgroße Puppe - aber auch das imaginierte eigene
Ende wird thematisiert: "lesen möchte ich die nachrufe / wer
sich wichtig macht und / wer etwas zu sagen hat all / ihre gedanken sezieren
die / sie voreinander verbergen und / den salzgehalt der tränen prüfen
/
erteile ich den heuchlern lokalverbot / auf lebenszeit mit einem
glas rotwein / lasse ich sie hochleben und proste mir / selbst zu".
Die Fotos, die Manfred Chobot selbst beisteuert, sind in der Tat Bild-Gedichte
und stammen aus aller Welt: Alltagskuriositäten wie der in Jerusalem
in einem Handkarren schlafende Mann finden sich ebenso wie die beiden
heruntergekommen Zapfsäulen einer aufgelassenen Tankstelle in Irland,
die in ihrer Verlassenheit irritierend menschliche Züge anzunehmen
scheinen (das Foto findet sich zu Recht auch neben dem Titel auf dem Buchumschlag).
Chobot hat Aufnahmen ausgewählt, deren poetischer Gehalt sie zum
Gedicht machen oder die in der Kombination ihren Witz entfalten wie beispielsweise
der Zug mit den Panzern, unter dem eine grotesk lange Reihe von Mülleimern
sozusagen Habt acht steht.
Helga Cmelkas liebevoll-erhellende, mit Autorenfotos angereicherte "erweiterte
Biografie", die mit dem einsam trainierenden Schwimmsportler Manfred
Chobot - Jahrgang 1947 - einsetzt, der "in Wiens Hallenbäder
seine Trainingslängen" zog, ehe er die Badehose des Wettkampfathleten
an den Nagel hängte, und auch einmal dabei war, sich über ein
Studium der Kulturtechnik an der Universität für Bodenkultur
in Wien "zum beamteten Kulturtechniker zu entwickeln", dann
aber von der Jugendkultur in eine ganz andere Richtung gelockt wurde,
beschließt diesen sorgsam edierten und opulent ausgestatteten Band.
O. P. Zier
Manfred Chobot: nach dirdort. Gedichte BildGedichte. Lyrik mit zahlreichen
Farbfotos von Manfred Chobot. Literaturedition Niederösterreich,
St. Pölten 2005, 184 Seiten.
aus: Literatur und
Kritik, Heft 405/406, Juli 2006 (Salzburg)
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