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ein
nacktes bild vor augen - Manfred Chobots Sprachbilder und Bildsprachen
Die Literaturedition
Niederösterreich wird von der Abteilung Kultur und Wissenschaft des
Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung herausgegeben. Manfred
Chobot, Jahrgang 1947, hat dort vor einigen Jahren den Lyrikband ansichtskarten
- stadt/stattgedichte publiziert; daneben liegen von ihm weitere Gedicht-
und Prosabände unter anderem bei Deuticke und in der Bibliothek der
Provinz vor. Nicht zuletzt ist Chobot aber als Herausgeber der Reihe "Lyrik
aus Österreich" im Verlag Grasl bekannt geworden, die nach 28
Jahren ihres Bestehens kürzlich mit der Verlagsübernahme durch
Brandstätter eingestellt wurde.
Nun liegt in der Edition Niederösterreich ein neues Buch Chobots
vor, das nicht zuletzt durch seine bibliophile Ausstattung - der hochwertig
gebundene Band enthält neben rund 120 Gedichten zahlreiche ganzseitige
Farbfotos unter der lapidaren Bezeichnung BildGedichte - neue Einblicke
in die Gattungsgrenzen überscheitende, ebenso bunte wie herbe Poetik
seiner Verfassers gewährt. Schon das schräg auf dem Buchumschlag
affichierte Foto eines reichlich verlebten Esso-Zapfsäulenpaares
lädt zum ironischen Auftanken auf dem Weg nach dirdort ein.
Das Du, seine Orte und die verschlungenen Wege dorthin, auf denen man
letztlich auch sich selbst begegnet - das sind Motive, die wie ein roter
Faden durch das Buch laufen, ohne jedoch die thematische Schlinge zu eng
zu ziehen. Hommagen an Künstlerpersönlichkeiten (etwa zum 70.
Geburtstag Friederike Mayröckers: "eine sieben / fürs spröde
/ die null / fürs runde") finden sich ebenso wie Aufzeichnungen
aus Liebesbeziehungen ("verknoten sich unsere beine zum / spaziergang
durch den garten eden"), Lebenserfahrungen im familiären Zusammenhang
("im haus der eltern liegen / die toten erinnerungen / und die kindheit
in den / zimmern riecht nach alter") und scharfe politische Stellungnahmen
(so im Gedicht kosovo: "die toten sind um die welt gegangen").
Chobots Gedichte bleiben in ihren Themen und Motiven nahe am täglichen
Leben, oft sogar nahe am Banalen, und sind damit im besten Wortsinn welthaltig;
dabei entwickeln sie meist ein hohes Maß der Brechung und Neugestaltung,
ohne an Konkretheit und pointierter Schärfe einzubüßen.
In ähnlicher Weise nehmen auch die Fotografien Alltagsorte, zufällige
Konstellationen zufälliger Gegenstände entlarvend aufs Korn
und erzählen nebenbei von der Reiselust des Autors. Bildsprache und
Sprachbilder bleiben einander nichts an Ironie und poetischer Präzision
schuldig. Eine erweiterte Biografie im Anhang (verfasst von Helga Cmelka)
setzt den literarisch-fotografischen Paarlauf konsequent fort und zeigt
den Weg eines einstigen Leistungsschwimmers Chobot zum gut trainierten
Wort- und Bildkünstler.
helwig
brunner
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