Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension "Dorfgeschichten" - R.C.  
"morgen", Nr. 86/92
   
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
  Dorfgeschichten
     
    1992: Weitra, Bibliothek der Provinz      
    gebunden      
    € 15,00      
           
           
           
               
 
   
     
  Welt im Dorf  
     
 

Manfred Chobot steht mit seinen Dorfgeschichten in einer langen österreichischen Tradition. Aber wie sich die dörflichen Strukturen von vorigen zum jetzigen Jahrhundert gewandelt haben, so auch der Inhalt der Dorfprosa. Er verschiebt sich von der Idylle zum kritischen Zeitbild, die phantasievolle Schilderung ländlicher Romantik tritt zurück hinter eine kritische Darstellung offensichtlicher Mißstände, statt harmonisierendem Zudecken ein provokatives Draufzeigen.

Chobots burgenländische Geschichten binden auf gut hundert Seiten ein Bukett aus den schönsten Feldblumen, doch tut er auch Disteln und Nesseln dazu, was den Gemeinten in den Gemeinden wenig Freude machen wird. Fälle von Korruption, Amtsanmaßung, Vergeudung oder Zweckentfremdung öffentlicher Mittel wie auch Beispiele kommunaler Schildbürgerei erweisen den Erzähler nicht nur als genauen Dorfkenner, sondern auch als unerschrockenen Literaten, der mehr sieht als nur die herbe Schönheit einer ebenen, rebenreichen, durch Wasserlacken geprägten Landschaft, die nach der Weinlese und dem Abstreichen der Zugvögel neblig-einsam wird und schwermütig machen kann.

Was das Ansehen der Kunst und der Künstler in den Augen der Dörfler betrifft, gibt sich der Autor keinen Illusionen hin. Er reflektiert darüber in ironischen Passagen, in denen ein Hauch Resignation mitschwingt - der Dichter ist eine Art Hanswurst, möglicherweise ein "Roter", auf jedem Fall einer, der sich vom normalen, nämlich dörflichen Geschmack fernhält, ein Außenseiter. Fühlt er sich als Missionar? Wer ihn kennt, wird das verneinen. Möchte er aufklären, bessern, mit Literatur die Politik beeinflussen auf der untersten Ebene? Was immer sein Ziel sein mag, seine burgenländischen Geschichten sind alles andere als regional begrenzt. Darin erweist sich die "Bibliothek der Provinz", in der Chobots Band erschienen ist, als Bibliothek der Welt.


 
   
 
R.C.
 
 
 
     
     
 
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