Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension "Dorfgeschichten" - Karl-Markus Gauß  
"Literatur und Kritik", Heft 275/276, Juni 1993
   
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
  Dorfgeschichten
     
    1992: Weitra, Bibliothek der Provinz      
    gebunden      
    € 15,00      
           
           
           
               
 
   
     
  Dorf und Städter - Zwei Prosabände von Richard Wall und Manfred Chobot  
     
 

...
Gehört Walls Sympathie jener alten Bäuerin, findet Chobot weder die städtische Welt, aus der er kommt, noch die ländliche, in die er sich zurückzieht, besonders sympathisch. Die Wiener, die ins Burgenland hinausfahren, sind ihm zumeist Bauernleger, die günstig zu Antiquitäten, Wein oder Grundstücken kommen möchten; die Einheimischen wiederum erscheinen als engstirnige, mißtrauische Grenzdebile, die nichts lieber wollen, als übers Ohr gehauen zu werden.

Chobot gelingt manches realsatirische Stück, etwa wenn er von einem Architekten erzählt, der auf alpine Häuser in pannonischer Landschaft spezialisiert ist, "wofür er das Wort Ambiente zu mißbrauchen pflegt. Ein Relikt seines Studiums." Die gering ausgeprägte Zuneigung den Dörflern gegenüber rettet Chobot indes nicht nur vor der Romantisierung des Landlebens, nimmt seiner Kritik vielmehr auch die Zielschärfe. So entwirft er vergnüglich einen aufs peinlichste missglückten Abend, den der "Kulturverein" von I. veranstaltet hat. Die Kulturobfrau hat nämlich den Schriftsteller aus der Stadt eingeladen, für seine Nachbarn aus dem Dorfe zu lesen, und es ist gewiß witzig dargetan, wie sich nun die "Musikantenstadl"-Kultur der gleichgeschalteten Provinz gegen die kritisch aufgeklärte Literatur aus der Stadt sperrt. Bei allem Witz bleibt der Text indes merklich taub einer Erwähnung gegenüber: Warum nur, um Gotteswillen, sollten die burgenländischen Nebenerwerbsbauern von I. abends, anstatt sich mit ihrem Eigenbauwein vollaufen zu lassen, ehrfürchtig der holden Kunst lauschen? Damit die Frau Bäuerin mit ein wenig städtischer Avantgarde-Kultur veredelt wird und sich künftig die Arbeit mit dem Gedanken an Gertrude Stein kurzweilig zu machen weiß: Ein Misthaufen ist ein Misthaufen ist ein Misthaufen...?


 
   
 
Karl-Markus Gauß
 
 
 
     
     
 
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