Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension "Die Enge der Nähe" - Richard Christ  
ORB, Berlin, Frühprogramm, März 1995
   
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
  Die Enge der Nähe
     
    Erzählungen      
    1192: Wiener Neustadt, merbod      
    broschiert      
    € 14,40      
           
           
               
 
   
     
 

Wenn Frauen über Männer schreiben, so kommen die Männer meist nicht sehr gut weg. Ein Umkehrschluß dieser natürlich nur mit Ausnahmen geltenden Regel ist jedoch nicht möglich. Das beweist z.B. eine Sammlung Erzählungen des in Wien und München lebenden Autors Manfred Chobot; er gehört zur mittleren Generation und hat schon oft mit realistischer Kurzprosa seine Leser gefunden, zuletzt mit dem Band "Dorfgeschichten".

Chobots Frauen sind gewöhnlich Opfer der Männer. Die Titelgeschichte etwa wird zu einer mit knappsten literarischen Mitteln gestalteten Beweisführung der Rechtlosigkeit einer Prostituierten, der das Gesetz keinen Glauben schenkt, als sie verleumdet wird. Eine gesellschaftskritische Geschichte, die in ihrem poetischen Schluß doch nicht in Hoffnungslosigkeit abrutscht. Oder die Geschichte "Wem Ehre gebührt" - ein Kellner gerät an einen Macho, dessen urmännliche Dämlichkeiten und Gemeinheiten sie zum Fremdgehen geradezu zwingen. Oder die Geschichte der Gerda, die eigentlich Silvia hieß, in der Ehe mit einem nie abgenabelten Söhnchen aus sogenanntem guten Haus ihre Identität zu verlieren fürchtet und bis nach China flieht, wo sie wieder zu sich selbst findet.

Das sind harte Geschichten, nahe an der Realität, schnörkellos und scheinbar ungerührt aufgeschrieben, deshalb von umso intensiverer Wirkung. Manchmal erinnern die Texte an literarisch aufgezeichnete Gerichtsreportagen - das Publikum, die Leserschaft, empfindet Mitgefühl mit Angeklagten, die in ihrer Unschuld Opfer gesellschaftlich sanktionierter Gemeinheiten einer Männerwelt werden.

Aber der Band enthält - hier führt der Klappentext in die Irre - nicht nur Frauenschicksale. Die Geschichte vom Musiker, der an seiner Erfolglosigkeit irre und zum Süchtigen wird und seinen inneren Monolog in der Zelle führt, oder die erschütternde Karriere des pubertären Sexualtäter wider Willen lesen sich als Beispiele, wie sich Manfred Chobot im Seelenleben der Spezies Mann ebenso gut auskennt.


 
   
 
Richard Christ
 
 
 
     
     
 
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