Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
back
 
 
Rezension "Ziegelschupfen oder Die genüssliche Mühe der Bewegung." und  
"Die Enge der Nähe". - Barbara Neuwirth
   
"morgen", 99/95, Februar 1995
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
  Ziegelschupfen oder Die
  Die Enge der Nähe
    genüßliche Mühe der Bewegung“     Erzählungen
    Erzählung     1192: Wiener Neustadt, merbod
    1994: Weitra,     broschiert
    Bibliothek der Provinz     € 14,40
    € 13,00      
           
               
 
   
     
  Beschränkung und Phantasie  
     
 

Zwei neue Bücher hat Manfred Chobot vorgelegt, und obwohl das eine ein Band mit mehreren Kurzgeschichten ist, das andere eine Einzelerzählung, haben sie doch ähnliche Elemente. Im Mittelpunkt stehen zumeist Menschen, die einerseits in einer beschränkten Handlungsfähigkeit existieren, andererseits aber der Phantasie einen sehr großen Spielraum geben. So wird in "Stationen oder Mir selbst auf den Fersen" beschrieben, wie eine Frau durch Erziehung Herkunft ganz der Unterwerfung zugeneigt ist und sich nur mühselig und unter großen Härten zu einem eigenbestimmten Leben entwickeln kann, in "Investitionen oder Schlußmachen zu dritt" beschreibt ein Mann sein Hin- und Hergerissensein zwischen der Ehefrau und einer Geliebten, ohne sein eigenes Verhalten auch nur ansatzweise zu reflektieren. Überhaupt sind alle Kurzgeschichten dem Scheitern von Menschen gewidmet.

Chobots Versuch, sich vor allem immer wieder in die Psyche von Frauen zu denken, ist vor allem aber in "Ziegelschupfen" konsequent durchgezogen: die Ich-Erzählerin, eine undurchschaubare Person, liebt den Wind. Alle ihre Phantasien und Begierden sind auf ihn ausgerichtet. In poetischer, verschlüsselter Erzählhaltung, dem entgegengesetzt einer sehr klaren Sprache, wird ein abstruses Leben entworfen, das in der Abkehr von der Kommunikation mit den Menschen und in einer immer stärker werdenden Innenkonzentration schließlich im Bau einer eigenen Grabkammer endet, wo die Windstille das Ableben der Erzählerin markiert. Auch diese Ich-Erzählerin, ebenso wie jene in "Stationen", ist letztlich nicht fähig, ihre Wünsche frei zu entdecken und an andere Menschen zu adressieren. Die "Enge der Nähe", die Chobot beschreibt, ist eine, die aus dem Mangel an Persönlichkeit und daraus resultierenden Ineinanderfügen von ähnlichen Menschen erzeugt wird. Aber sie ist keine angenehme oder gar erstrebenswerte.


 
   
 
Barbara Neuwirth
 
 
 
     
     
 
top