Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension "Der Hof" - Richard Christ  
morgen", Nr. 104/95
   
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
  Der Hof
     
    Text-Fotoband      
    (mit Jindrich Streit)      
    1995: Weitra, Bibliothek der Provinz      
    € 37,00      
           
           
               
 
   
     
  Glücklich  
     
 

Aus dem Herbstprogramm '95 der von Richard Pils begründeten "Bibliothek der Provinz" empfiehlt sich "Der Hof", ein großformatiger Band, der Aufmerksamkeit in mehrfacher Hinsicht verdient. Erstens macht er bekannt mit einem tschechischen Photographen von Rang; zweitens mit einer bemerkenswerten Persönlichkeit, einem österreichischen Biobauern, dessen Arbeits-, Lebens- und Denkwelt sich uns mitteilt in Gesprächen mit Manfred Chobot, und der wiederum ist ausgewiesen als Schriftsteller, der sich auf Dorf und Dörfer versteht, unter anderem durch seine "Dorfgeschichten", die ebenfalls in der "Bibliothek der Provinz" erschienen sind.

Johann Haninger, bei Kriegsende aus Mähren vertrieben, bewirtschaftet mit seiner Familie sein beinah vierzig Jahren einen Hof bei Eggenburg. Er hat früh damit begonnen, eine Landbebauung und Hofhaltung jenseits der Chemie durchzusetzen, mit Erfolg, heute beliefert er mit seinen Erzeugnissen Großketten. Detail um Detail offenbart der Bauer, von der einfühlsamen Fragekunst Chobots an der Zunge gezogen, seine Theorie des Landbaus, die Praxis seiner Betriebsführung, aber auch seine Ansichten über Zusammenleben, Familie, Natur und Tod. Gott und die Welt. So entsteht ein in seiner schnörkellosen Einfachheit respektables, weil schlüssiges und in sich logisches Lebensbild: viel Solides, Kluges und manchmal Tiefes kommt zu schlichtem Wort.

Die Photos, durchweg schwarz-weiß, erzählen in kargster Poesie ein zweites Mal die Vita eines zähen, genügsamen, weltklugen Landwirts. Ein Vortext führt in Jindrich Streits photographisches Werk ein, ohne die politischen Begleitumstände auszulassen: Das Prager Regime untersagte dem Lichtbildner 1982 das Photographieren, auch war er in Haft. Dieser Vortext ist in mehrere Sprachen übersetzt, was man bei Chobots Gesprächen leider unterlassen hat, und das ist das Unbefriedigende an diesem schönen Band - er weckt den Eindruck einer Hommage für den Photographen, während doch die Geschichte des Bauern zumindest den gleichen Stellenwert für den Leser, dem nicht allzu oft ein Mensch begegnen wird, der sich widerspruchslos "glücklich" nennen läßt.

 
   
 
Richard Christ
 
 
 
     
     
 
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