Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension "Stadtgeschichten" - Helmuth Schönauer  
"Buchkultur", Nr. 2/99
   
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
  Stadtgeschichten
     
    Erzählungen      
    1999: Weitra, Bibliothek der Provinz      
    € 19,00      
           
           
           
               
 
   
     
Alltagsgeräusche  
     
 

Wenn man längere Zeit in einer Stadt verweilt, so hört man ihr Krächzen und Ächzen, mit dem sie den Alltag beatmet. Und eine große, skurrile Stadt wie Wien ächzt und krächzt natürlich auf wienerisch, was einem Dialog mit Bekannten der dritten Art gleichkommt.

Manfred Chobot hat diesen Alltagsgeräuschen und -gesprächen nachgespürt und ist dabei auf liebenswürdig-unheimliche Geschichten gestoßen. Das Meisterstück, das bereits die Luzidität einer Borges-Geschichte aufweist, berichtet von einem Stromstillstand, der beinahe den Lebensstrom vernichtet. Weil die Mutter des Erzählers in ein Pflegeheim übersiedelt ist, macht der Stromzähler mangels Verbrauch keinen Mucks mehr. Der Strommeister muß solche Fälle melden und anschließend untersuchen, weshalb er vorschlägt, wenigstens eine Kilowattstunde berechnen zu dürfen, damit die mühseligen Recherchen unterbleiben können. In dieser Szene ist genau beschrieben, wie die Gebrauchsvernunft über die vorgeschriebene Vernunft siegt, wie sich der Alltag gegen die Bürokratie behauptet und wie ein dreidimensionaler Bewohner noch allemal die Ebene des Formulars besiegt.

Chobots Geschichten aus Ämtern, Bezirksverwaltungen, Friedhofssektoren und Verkehrsflächen sind jeweils kleine Maßnahmen, um mit Bert Brecht zu reden. Das Rädchen gebietet dem Rat Einhalt! Diese Beobachtungsfibel, richtig angewendet, bietet so manchen Magistratsaushängen und Vorladungsformularen Paroli.

Geschichten, zum richtigen Zeitpunkt erzählt, sind mit ihrem Treibsatz aus der Geschichte allemal durchschlagskräftiger als die gedankenlose bloße Gegenwart.

 
   
 
Helmuth Schönauer
 
     
     
     
 
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