Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension von „Das Hortschie-Tier und die Lurex-Frau. Hyper-Texte"
Helmuth Schönauer, Podium, Nr. 205/206
 
     
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
Der Gruftspion
 

Manfred Chobot

       
   

Das Hortschie-Tier und die Lurex-Frau

     
   

Hyper-Texte

     
   

2022: Edition lex liszt, Oberwart

     
   

Illustrationen von Walter Schmögner

     
   

ca. 375 Seiten, Brosch., Abb.

     
    € 25,00      
               
 
   
     
     
 

Das Hortschie-Tier und Die Lurex-Frau

DieManfred Chobot ist Spezialist für Überraschungen, die scheinbar immer schon da sind. Einmal schürft er als Dialekt-Magier spontane Fügungen ans Gesprächslicht, ein andermal bringt er während einer Recherche die Dinge zum Sprechen, und am verlässlichsten ist er an der Kante zwischen Traum und Wachsein, Findung und Erfindung, wahr und wahrscheinlich anzutreffen.

Seine aktuellen Phantasmen nennt er Hyper-Texte, mit Bindestrich zu schreiben, denn sie wirken landläufig einfach super, hyper, genial. Wenn man sie ohne Bindestrich schreibt, gehören sie der IT, sagt der Autor in einem Interview, dann wären sie so etwas wie ein Hyperlink, mit dem man durch die Meta-Ebenen durchstechen kann.

Etwas von diesem „Durchstechen“ haben auch die gut 130 Geschichten, die wie in einer Bar aus 13 Zapfhähnen fließen. Die Geschichten entwickeln dabei ihr Thema erst, während sie in Gang gebracht werden, und da hilft dem Autor seine mündliche Kompetenz. Er ist ein begnadeter Drifter, Surfer und was es sonst noch an Sportarten gibt, die er, dem Wassersport entstiegen, in die Literatur eingebracht hat.

Wenn die Phantasie in die Gänge kommt, kann man höchstens noch den Ausgangspunkt einem Thema zuordnen, das daraus Folgende ist Eruption, die sich jenseits aller Schwerkraft bergauf und bergab entwickeln kann.
Die meisten Wunderkrater, aus denen die Geschichten plötzlich loslegen, liegen auf dem Gebiet des Reisens, des repräsentativen Getues, der kulturellen Happenings, der flächendeckenden Irritation und vor allem der Begegnungen inklusive Liebe.

Die sogenannten Begegnungen gehen fließend in Erotik über, manchmal ist auch etwas handfestes Gerät dabei, sodass die Geschichte mit dem Jugendschutz in Konflikt geraten könnte. Aus diesem Grund gibt es bei gefährlichen Erzählstrecken mit erotischen Kurven jeweils Altersangaben, die von fünfzehn-ein-viertel bis fünfzehn-ein-halb reichen, absurd genau, wie eben Altersangaben so sind.

Die sogenannten Kapitelüberschriften zeigen sich per se als Hyper-Texte, wenn etwa Sprichwörter den Geist aufgeben und es plötzlich gilt, ein „U für ein X vorzumachen“, „Triebe mit Liebe“ zur Schlagzeile werden, „Turtle mich Taube!“ eine Anmache vortäuschen und sinnlose Headlines aus dem Boulevard die Welt auf den Kopf stellen. „Die Verdoppelung hat sich halbiert“, heißt es halb-logisch, und der Schmäh kaum noch auf, weil sich durch die große Seuche eine semantische Long-Ohnmacht eingeschlichen hat.

Die Wirkungsweise der Texte muss letztlich der User selbst in sich auslösen, je nachdem, wie glaubwürdig er die vorgetragene Sache hält. (Das Genderproblem löst der Autor elegant, indem er fallweise die alten Geschlechtssymbole Kreis mit Pfeil und Kreis mit Kreuz in Klammern einführt und auf stumm stellt.)
Die auftretenden Helden haben durchwegs Namen aus der Literatur- Kultur- oder Universalgeschichte, man kann sich nun überlegen, ob der Ich-Erzähler tatsächlich mit Schönberg eine Oper geschrieben hat, oder ob es ein anderer Schönberg ist, der vielleicht bei Tageslicht als Hausmeister arbeitet.

Der Erzählduktus steht immer unter Spannung und verträgt keinen Abbruch. Im Zweifelsfalle wird ein Name aus dem nächstbesten Speicher im Kopf abgerufen und wie selbstverständlich verwendet. – Menschen mit Erinnerungslücken greifen oft auf dieses fließende Memorieren von Phantasienamen zurück. Besonders bei forensischen Verhören lassen befragte Zeugen oft einen Schwall von Helden los, die einen Sachverhalt durchaus gestaltet haben könnten.
Und was ist mit den rätselhaften Figuren, die am Cover stehen? – Sie sollen vor allem Neugierde erwecken, indem sie den Leser wach halten. Niemand wird das Buch beiseite legen, ehe er nicht auf „hyper-textlich“ erfährt, worum es sich handelt. Nur so viel, sei hier verraten, beide, Hortschie-Tier und Lurex-Frau, kommen im Text tatsächlich vor und haben eine schräge Wendung ihres Auftritts im Sinn.


Walter Schmögner ist von ähnlichem Phantasieholz geschnitzt wie Manfred Chobot, weshalb er Zeichnungen in den Text platzieren kann, als wären sie nur eine andere Gestalt von „hyper“.
Das Problem bei Hyper-Zeichnungen und Hyper-Texten ist, dass man nicht mehr herauskommt, wenn man einmal von ihnen verzaubert worden ist. Manfred Chobot probiert es mit der ungemütlichen Art: Der Icherzähler bittet den Komponisten Schönberg, durch Musik die Zeit zu beschleunigen. Aber genau das kann die Zwölftonmusik nicht. So bleibt die Tür offen hinaus in die sogenannte Realität.

Helmuth Schönauer

 
 
 
 
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