Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension „In 116 Tagen um die Welt – Ein Logbuch.“
Erika Kronabitter
 
Podium, Nr. 198/199, September 2020    
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
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  Manfred Chobot        
    In 116 Tagen um die Welt – Ein Logbuch.      
    2019: Wien, Löcker      
    293 Seiten      
    € 19,80      
           
           
               
 
   
     
     
 

Einmal um die ganze Welt - Kreuzfahrt sei Dank
Betrachtungen zu Manfred Chobots Logbuch „In 116 Tagen um die Welt“, Löcker-Verlag

Eigentlich könnte man die Gedanken für den Tag, besser gesagt zum Buch, mit einem großen DANKE an Manfred Chobot beginnen - und auch schon wieder beenden:  „In 116 Tagen um die Welt“, erschienen bei Löcker. Danke. Danke für diese Informationen. Von Seite zu Seite wird der Traum von der großen Kreuzfahrt, der  Schiffsreise um die Welt entblättert. Die Verklärung des leuchtenden Schwanes, der lautlos durch die großen Meere zieht, die Traumreise, die das eigene Glück erst perfektioniert, wie es Fernsehserien evozierten, beginnt spätestens mit diesem Logbuch matt zu werden. Besser gesagt: Die Reisenden ermatten. „Die Gefahr, auf Kreuzfahrten süchtig zu werden“ besteht beim Ehepaar Manfred und Dagmar Chobot jedenfalls nicht (mehr).

Früher waren Kreuzfahrten ein Eldorado für ältere, betuchte Damen, die eine bequeme Reisemöglichkeit suchten, bei der sie ohne Hotelwechsel die Welt in angenehmer Atmosphäre kennenlernen konnten. Zudem war gesellschaftlicher Anschluss leicht möglich. Manfred Chobot erlebt auf seiner Reise nicht nur den möglichen gesellschaftlichen Anschluss an 1098 Mitreisende, er erfährt auf der „Cara“ auch von großen Dramen, so z.B. muss ein Ehepaar aus Köln nach sechs Wochen den Rest der Kreuzfahrt stornieren, weil deren 5jähriger Enkel sehr geweint habe wegen der Befürchtung, dass die Großeltern nicht an seinem Geburtstagsfest anwesend sind. Schlimmer kann es für kreuzfahrende Großeltern ja gar nicht kommen. Und „natürlich hat er jegliche Priorität, weshalb wir den weiteren Teil der Weltreise storniert haben.“

Wie grotesk sich eine derart lange Kreuzfahrt gibt, erfährt man z.B. auch über den Kurzbericht zum 75. Seetag: Die Kreuzfahrenden erleben abwechslungsreiche Stunden auf hoher See mit einem Vortrag über die Supernova von Dr. Hartmut Renken, Berichten zur Entstehung ihres Australienfilms von Silke Schranz und Christian Wüstenberg sowie Erläuterungen zu hartnäckigen Gelsen und Kängurufußtritten und, weil es der 31. Dezember ist, gibt’s bis Mitternacht eine Show mit Feuertänzern und jonglierenden Fackeln. Und das Walzer-Potpourri darf nicht fehlen, um das neue Jahr startklar zu machen. Sonst wäre das ganze neue Jahr mit dem linken Fuß aufgestanden.

Natürlich wird auch in Häfen angelegt, 40 an der Zahl, Inseln und Städte besichtigt, Kreuzfahrt heißt ja auch, kreuzen, kreuz und quer, nicht nur am Meer, sondern auch an Land. Schließlich gab es seit je her ja auch Kreuzritter, welche sich mit Erkundungen vergnügten. Diese heißen jetzt nicht mehr Fremdenführer, sondern Animateur oder Under- oder Entertainer.
61.533 Kilometer, besser gesagt, 33.225 Seemeilen sind genug, genug auch der vielen abenteuerlichen Begegnungen, genug der Erlebnisse, der Beobachtung wie eine Revolution entsteht, sagte sich das Ehepaar Chobot nach dieser Reise. Vieles war schön. Vieles Scheinschön. Trotzdem wird es immer wieder Leute wie Sigrid und Karl geben, welche dem schönen Schein erliegen: „Die Weltreise war ein Traum…. die Gestaltung und Organisation waren perfekt, mir fehlen fast die Worte…“ Nach der Lektüre des Logbuches stellt man sich Fragen. Nicht nur nach dem Sinn des Lebens. Lesen Sie das Logbuch. Vielleicht werden Sie danach kreuzfahrtsüchtig. Oder das Gegenteil.

 

 
 
 
 
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