Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension „Die Briefe der Hausmeisterin Leopoldine Kolecek“
Ewald Baringer
Literarisches Österreich, Nr. 2016/1
 
     
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
  Manfred Chobot        
    Die Briefe der Hausmeisterin Leopoldine Kolecek      
    Illustriert von Alfred Hrdlicka      
    Hardcover mit Schutzumschlag      
    2015: Wien, Löcker
60 Seiten
     
    € 14,80,–      
    ISBN 978-3-85409-772-3      
               
 
   
     
     
 

Üblicherweise wird Literatur erfunden, schreibt Herausgeber Manfred Chobot im Vorwort zu diesem schmalen Band, doch die Briefe der Wiener Hausmeisterin Leopoldine Kolecek aus den Jahren 1955 und 1956 wurden nicht er-, sondern gefunden. Kurioserweise ausgerechnet in einer Schottergrube bei Braunau am Inn. Erstmals vor 37 Jahren in der Edition Hilger publiziert und mit bemerkenswerten Illustrationen von Alfred Hrdlicka versehen, stellen sie ein Zeitzeugnis längst vergangenen Alltagsleben dar: Oral History in Briefform. Gerichtet sind die Schreiben an den Hausverwalter Rotzoll, dem stets die besten und herzlichsten Grüße übermittel werden („sowie an Ihre Frau“). Die Beigehaltung von Ausdruck und Orthografie bewirkt beträchtliches Lesevergnügen, ohne die Schreiberin damit zu desavouieren. Es geht um weltbewegende Angelegenheiten wie den Zeitpunkt der morgendlichen Inbetriebnahme des Ganglichts, den korrekten Ort der Hinterlegung des Kellerschlüssels, die reibungslose Organisation der Waschküchenbenützung, den Zustand der Klopfstange und immer wieder die Probleme mit aufsässigen Mietern. „Natürlich bin ich keine Frau die was mit den Hausparteien streitet“, stellt Kolecek klar und versucht, den Schatten ihrer Vorgängerin abzustreifen: „ich werde mich auch bemühen um das Sie mich auch lieb gewinnen, es ist halt sehr schwer den sie wollen man sollte halt in die Wohnungen gehen und tratschen, das werden Sie nie von mir erleben.“ Tratsch gibt es aber ohnehin genug und auch jede Menge Beschwerden. Eine Französin macht sich unbeliebt („sie glauben nicht was die einen für eine Bossheit machen kann … ich sag nichts mehr und ramme es mir weg“), verlässt das Haus aber mit dem Abzug der Alliierten zu allseitigen Erleichterung. Frau Leisenbauer will ihr Geschäft verkaufen („seit Herr Leisenbauer tot ist kümmert Sie sich nicht“) und fällt auch sonst unangenehm auf („die sitzt ständig auf den Klopfer“), der „Frau Ludy Ihre Mutter“ muss in der Früh mit dem Hund durchs lichtlose Haus, Herr Wendt wiederum erhält manchmal Besuch von einem Hund („jedes Mal ist in der Einfuhrt hingemacht“), Frau Gaul ist „sehr frech zu mir“, ihr Freund hat keine Aufenthaltsbewilligung bekommen, nicht nur bei Frau Gunesch geht es nass durch („von der Französin“), Herr Sittsam „hat verschiedenes am Boden“. Manchmal wird um Hilfe gebeten: „bitte schreiben Sie den Parteien das Die den Hof reinhalten müssen“. Der letzte Brief vom 23. Mai 1956 schließt mit dem Postskriptum: „Der Hof ist schön geputzt so rein und weiß.“ Wenn das nicht poetisch ist! Diese zweifellos unbewusste, absichtslose Poesie des Alltags, die sich aus der zeitlichen Entfernung auch noch – ziemlich unberechtigterweise! – nostalgisch verklärt, zaubert etwas wie den Charme in die scheinbare Banalität dieses Hausmeisterlebens. Halten wir es doch hin und wieder mit unseren hehren Problemen und Problemchen einfach wie die Frau Kolecek: Rammen wir es sich weg!

Ewald Baringer

 

 
 
 
 
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