Ausgewählte Kritiken - Rezensionen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Manfred Chobot | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Wiener Zeitung, Freitag/Samstag, 21./22. Mai 1999 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Ausgefeilte
Schnappschüsse
Wien in einem anderen Licht: "Stadtgeschichten" von Manfred Chobot und Manfred Horvath Von René Freund |
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Manfred Chobot hat seine erkleckliche Sammlung von Erzählungen "Stadtgeschichten" genannt. Er ist Wiener und daher verwundert es wenig, daß seine Geschichten spürbar in Wien spielen.Dennoch sind seine Erzählungen eigentlich ganz und gar unwienerisch:Sie sind nicht schlampig geschrieben, sie verzichten auf Schmähs, sie sind weder weinselig noch bierernst; die Donau ist in ihnen nicht blau, sondern braun, und das Herz nicht golden, sondern rot. Und während ich noch nach anderen Klischees des Wienerischen suche, denen dieses Buch nicht entspricht, fällt mir auf, daß es eigentlich auch sehr wienerisch sein kann, unwienerisch zu sein: Denken wir an die asketische Bauweise des Adolf Loos oder an die Stringenz des Ludwig Wittgenstein. Asketisch, stringent: Diese Attribute passen gut auf Manfred Chobots Erzählungen. Er hat sie im wahrsten Sinne des Wortes kurz gehalten (meist ein bis zwei Seiten lang), und auch in der Wahl seiner literarischen Mittel war Chobot bewußt sparsam Schmucklos und schön, verzichten seine Miniaturen auf die schnelle Pointe, auch dort oder gerade dort, wo sie sich fast aufdrängt. Das macht auch den Humor seiner Skizzen aus, die nicht selten an Peter Altenberg oder an den unterschätzten Eduard Pötzl erinnern. Auch da, wo Chobot Kritik äußert, Z. B. an Beamten aller Art (vom Postler bis zum Zensurrichter) tut er das in sachlicher, fast beobachtender Weise. Er beschreibt, ohne aufgesetzte Ironie, ohne Bosheit, fast schon gleichmütig, als wollte er sich aus seinen Texten ganz zurückziehen. Das macht die Kritik stärker und schimerzhafter - z. B. in der Erzählung "Wien ist anders - als Wien". Chobot zählt darin auf, was es alles in Wien gibt, unter anderem: "Es gibt das Bestattungsmuseum und das Kriminalmuseum, den Narrenturm und das Elektropathologische Museum, und es gab den Sparsarg unter Joseph II., was eine frühe Form des Recyclings darstellte. Mit einem Hebel öffneten die Sargträger den Boden des Sarges, und der in Sack leinen eingenähte Leichnam fiel in die Grube, so daß der Sarg nicht mitbestattet wurde, sondern neuerlich verwendet werden konnte, Es gibt das Kaisergeschirr, das immer noch bei republikanischen Staatsempfängen verwendet wird, auch wenn der Bestand von Mal zu Mal geringer wird, weil Glas und Porzellan zerbrechen und sich gelegentlich das eine oder andere Stück in den Sack des Eingeladenen zu verirren pflegt. Es gibt den Antisemitismus und die Fremdenfeindlichkeit - nicht erst seit kurzem, sondern schon lange vor der Jahrhundertwende. Chobots literarische Enthaltsamkeit ermöglicht es ihm, große Themen wie Erotik, Kunst und Politik auch in Details sehr aufmerksam zu beschreiben. In dieser Hinsicht passen Chobots Erzählungen und die ebenfalls in dem schön ausgestatteten Band enthaltenen Fotos von Manfred Horvath sehr gut zusammen: Auch Horvaths Bilder sind Schnappschüsse, das heißt, der Fotograf hat sehr lange und erfolgreich daran gearbeitet, sie wie Schnappschüsse aussehen zu lassen. Es sind Stimmungsbilder in jeder Hinsicht, weil sie Stimmungen einfangen, wieder geben und im Betrachter erzeugen. Man sieht Wien in den Bildern von Manfred Horvath und in den Texten von Manfred Chobot in einem anderen Licht. |
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Manfred Chobot: Stadtgeschichten.
Erzählungen Mit Fotos von Manfred Horvath, Bibliothek der Provinz, Weitra 1999, 188 Seiten |
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