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Damit so etwas Garstiges wie der Kapitalismus funktioniert, muss er flächendeckend angewendet werden und bis in die letzte Ritze des Hauses hineinwirken.
Manfred Chobot versucht schon seit Jahrzehnten, diffusen Phänomenen im Alltag klar auf die Schliche zu kommen. Für das große Kapitel Grundbedürfnis Wohnen, Freiheit und Überwachung bietet sich die Figur des Hausmeisters oder der Hausmeisterin geradezu an. Eingeklemmt zwischen dem Hausbesitzer und dem Wohnungsbenützer braucht es schon sehr viel Gefühl und Sprachgewalt, nicht zwischen den beiden Interessengruppen aufgerieben zu werden.
Die Szenerie spielt 1955/1956, die Hausmeisterin Leopoldine Kolecek schreibt ihrem Hausbesitzer in regelmäßigem Abstand von den Vorfällen und Unwuchten, die in seinem Haus herrschen. Oft sind es Materialien, die beschafft werden müssen, Glühbirnen können zu einem Problem werden, wenn sie kaputt gehen, Leitungen neigen zum Abfrieren und kaputt werden, ein Klo muss ausgetauscht werden. Alles neigt zum kaputt werden und die Hausbewohner halten sich auch nicht immer an die Gesetze des Hauses, halten Sperrstunden und Waschküchentermine nicht ein oder reißen sich gar einen fremden Schlüssel unter den Nagel.
Leopoldine Kolecek ist mit ihren Briefen nicht allein, manchmal platzt einer im Haus der Kragen und sie und schreibt unter Umgehung des Hausmeisterlichen Dienstwegs selbständig an den Hausherrn, nie kann man sicher sein, ob die Wahrheit nicht gebeugt wird.
Die Hausmeisterin muss nebenher noch selbst arbeiten gehen, der Job des Kassierens, Aufpassens und Verwaltens muss sich prekär nebenher ausgehen, dabei kommt es auf jeden Groschen drauf an, wie etwa eine eingemahnte Briefmarke zeigt, die im Vormonat in der Abrechnung vergessen worden ist.
„Der Hof ist geputzt und rein!“ verabschiedet sich Leopoldine Kolecek aus dem Briefverkehr, der über Umwege Eingang in die Literatur findet.
Manfred Chobot gibt die Briefe, die irgendwo bei Braunau gefunden worden sind im Jahre 1978 heraus, ihm gelingt es, Alfred Hrdlicka für die Illustration zu gewinnen. In einem Vorwort stellt er aus der Sicht der damaligen Gegenwart den Wert der Texte dar, sie würden nie das Aufsehen von Sportbiographien oder ähnlichem gewinnen, weil sie der sogenannten „authentischen Literatur“ angehörten.
Für die Neuausgabe 2015 kann alles unverändert verwendet werden, außer dass es kaum noch Teppichklopfstangen gibt, meint Manfred Chobot.
Tatsächlich liest man in der Gegenwart die Briefe eher als historische Fiktionszeugnisse, denn als romanisierende Geschichten eines untergehenden Berufsstandes. Die verzwickte Rolle zwischen Blockwart, Geldeintreiber und Sozialarbeiter bleibt in den Wohnanlagen zu allen Zeiten ungelöst und aktuell.
Helmuth Schönauer
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