Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension "Ansichtskarten" - Helmuth Schönauer  
Podium, Dezember 1997
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
     
 
  ansichtskarten. statt/stadt-bilder
     
    Gedichte      
    1997: St. Pölten,      
    Literaturedition Niederösterreich      
    vergriffen      
           
           
               
 
     
     
  "Podium", Nr. 106, Dezember 1997  
     
 
Manfred Chobot: Ansichtskarten. Gedichte. Statt/Stadt-Bilder. St. Pölten: Literaturediton Niederösterreich 1997.
 
     
  Ansichtskarten  
     
 

Im Herbst geschehen immer furchtbare Tragödien, wenn die Urlauber aus ihren Stränden zurückkommen und den Nachbarn ihre Fotos zeigen. So manche Freundschaft, die in unseren Gegenden gerade im kalten Winter so notwendig wäre, ist durch solche Sommerfotos schon zerstört worden.
Manfred Chobot legt interessierten Literatur-Freunden gleich einen ganzen Fotoband vor. Damit niemand eifersüchtig wird, hat er Fotos aus aller Welt versammelt.
Ein Esel in Cuba, eine Maschinschreib-Brigade in Peru, ein Zigarrefahrender Taxi-Lenker am Highway 101 in San Francisco, eine Reisegesellschaft am Dach eines Andenzuges: Diese Fotos schaut auch der böseste Nachbar mit Freude an.
Genau das eine Foto sagt alles, wofür Sonntagsknipser oft kilometerlanges Zelluloid verbrennen. Mit Würde fällt der Blick jeweils in das Innere jenes Topfes, in dem vielleicht nicht die geldgeilste, dafür aber die reichste Kultur gesotten wird. Müde von üblichen Ich-Erzählungen und Sonnenbrand-Erlebnissen fügt Chobot Gedichte zwischen die Bilder. Fein alfabetisch geordnet wird alles besungen, was einen Charakter hat.
Die wichtigste Stadt in unserer Gegend, die ohne Charakter auskommt, ist Bozen, wo Bullen eine Straßendarbietung knüppelfein auflösen. Da kann vielleicht noch das verseuchte Chemie-Basel mithalten, während die Weltstädte dem beobachtenden Straßensänger zumindest eine Chance zum Anblick der Sehenswürdigkeiten geben.
Bemerkenswert in dieser Serie von Liebeserklärungen an Städte ist Klagenfurt, das in vollem Haß neben Bachmann gleich alle Bachmann-Preisträger ausspuckt. Damit die Unsterblichkeit sich nicht in die Ansichtskarten mischt, ist der Umschlag leicht bläulich gehalten, wie es Fotos zu tun pflegen, ehe sie verschwinden. Man sollte Chobots Buch als Fibel für genaues Beobachten in den pädagogischen Kreislauf bringen, damit wenigstens die nächste Generation den genauen Blick abseits der Börsenberichte lernt.

 

 

 
 
Helmuth Schönauer
     
     
 
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