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Im Herbst
geschehen immer furchtbare Tragödien, wenn die Urlauber aus ihren
Stränden zurückkommen und den Nachbarn ihre Fotos zeigen. So
manche Freundschaft, die in unseren Gegenden gerade im kalten Winter so
notwendig wäre, ist durch solche Sommerfotos schon zerstört
worden.
Manfred Chobot legt interessierten Literatur-Freunden gleich einen ganzen
Fotoband vor. Damit niemand eifersüchtig wird, hat er Fotos aus aller
Welt versammelt.
Ein Esel in Cuba, eine Maschinschreib-Brigade in Peru, ein Zigarrefahrender
Taxi-Lenker am Highway 101 in San Francisco, eine Reisegesellschaft am
Dach eines Andenzuges: Diese Fotos schaut auch der böseste Nachbar
mit Freude an.
Genau das eine Foto sagt alles, wofür Sonntagsknipser oft kilometerlanges
Zelluloid verbrennen. Mit Würde fällt der Blick jeweils in das
Innere jenes Topfes, in dem vielleicht nicht die geldgeilste, dafür
aber die reichste Kultur gesotten wird. Müde von üblichen Ich-Erzählungen
und Sonnenbrand-Erlebnissen fügt Chobot Gedichte zwischen die Bilder.
Fein alfabetisch geordnet wird alles besungen, was einen Charakter hat.
Die wichtigste Stadt in unserer Gegend, die ohne Charakter auskommt, ist
Bozen, wo Bullen eine Straßendarbietung knüppelfein auflösen.
Da kann vielleicht noch das verseuchte Chemie-Basel mithalten, während
die Weltstädte dem beobachtenden Straßensänger zumindest
eine Chance zum Anblick der Sehenswürdigkeiten geben.
Bemerkenswert in dieser Serie von Liebeserklärungen an Städte
ist Klagenfurt, das in vollem Haß neben Bachmann gleich alle Bachmann-Preisträger
ausspuckt. Damit die Unsterblichkeit sich nicht in die Ansichtskarten
mischt, ist der Umschlag leicht bläulich gehalten, wie es Fotos zu
tun pflegen, ehe sie verschwinden. Man sollte Chobots Buch als Fibel für
genaues Beobachten in den pädagogischen Kreislauf bringen, damit
wenigstens die nächste Generation den genauen Blick abseits der Börsenberichte
lernt.
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