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„Mia reichts“ / „stačilo mi“
Manfred Chobot weiß um die Vorzüge des Dialektes Bescheid: Klarheit, Direktheit, Kürze. Eine interlineare Übersetzung – ja, ich verwende das Wort Übersetzung - ins Hochdeutsche würde schon bald auf schwer zu überwindende Hürden treffen, wie das bekannte Beispiel „hauts eich iba di Heiser“ hinlänglich belegt. Der Dialekt, der muss passen, könnte man hinzufügen, konträr etwa dem „wird scho passen“ des Handwerkers, der die Entfernung von der Kante zur Wand abmisst.
Manfred Chobot weiß auch, dass gute Dialekttexte sich durch so elementare Dinge wie Rhythmus, Melodie und Klang auszeichnen. Deswegen sind Dialektautoren zumeist auf lyrische Formen angewiesen, um die Möglichkeiten und die Grenzen des Dialektes auszutesten.
Wobei der Wiener Dialekt – also gut, sagen wir halt, der ostbairische Dialekt, aber der „Wiener Dialekt“ rutscht mir leichter über die Zunge als das historische „ostbairisch“ – eine eigene Grammatik aufweist, mit eigenständiger Semantik, mit historischen bedingten und unabhängigen Flexionen und Formen. Wer jetzt den Kopf schüttelt, der möge nachlesen bei Wolfgang Teuchschls „Wiener Dialekt-Lexikon“: Allein für das hochdeutsche Verbum „tun“ finden wir im Wienerischen 7 verschiedene Konkunktivformen! Welch Formenreichtum im Gegensatz zu der verkümmerten Hochsprache! Und welch Unterschied zum „american slang“, der durch Reduktion der Formen, durch Verkürzung und Vereinheitlichung gekennzeichnet ist!
Diese eigenständige Struktur des Wienerischen ist bei Übersetzungen freilich ein schwer zu lösendes Problem. Das erkannte auch der in Bratislava lebende Autor und Übersetzer Marian Hatala, als er sich mit den Dialektgedichten von Manfred Chobot beschäftigte. Eine Übertragung ins Slowakische – nein, da würde der Gehalt und die Wirkung der Texte enorm verlieren. Also versuchte es Marian Hatala mit der Umgangssprache seiner Heimat, der Záhorie, also jenem Gebiet zwischen der March und den Kleinen Karpaten – und siehe da, vieles, sehr vieles gelang. „Wos kaun i dafia“ kann man wunderbar mit „co já za to možu“ übersetzen, auch der Titel „niks ois teata“ geht wunderbar mit „nic neš tyjátr“, und weitere Beispiele möchte ich mir erspraren. Aber bei „waunsins-bluus“ muss auch der genialste Übersetzer verzweifeln.
Nicht übersetzen muss man die Stimmung, die von den Fotos von Manfred Chobot ausgelöst wird, sie passen sich den Texten und die Texte passen sich den Bildern an.
Also: Die im Wiener Dialekt geschriebenen Gedichte Manfred Chobots bewähren sich in der Übersetzung Marian Hatalas, der die slowakische Umgangssprache seiner Heimat verwendet. Dass beide Sprachen kompatibel sind, entspricht meiner alten These, dass zwischen den Strukturen der tschechischen sowie der slowakischen Umgangssprache einerseits und dem Wiener Dialekt andererseits eine gewisse Affinität herrscht. Treff ma sich net auf der Uni? – Všechno jedno, ollas ans.
Beppo Beyerl
Niks ois teata/nic neš tyátr, Manfred Chobot, übersetzt von Marián Hatala, FOART s.r.o., Bratislava 2010 |
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