Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension "Der ertrunkene Fisch" - Helmuth Schönauer  
"Blickpunkt", 8. August 1997
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
     
 
  Der ertrunkene Fisch
     
    Erzählungen      
    1996: Weitra, Bibliothek der Provinz      
    € 19,00      
           
           
           
               
 
     
     
  "Blickpunkt", 8. August 1997  
     
 
Manfred Chobot: Der ertrunkene Fisch. Erzählungen. Weitra: Bibliothek der Provinz 1997. 164 Seiten.
 
     
  Der ertrunkene Fisch.  
     
 

Der Wahrheitsgehalt eines Buches läßt sich unter anderem leicht mit dem Innsbruck-Test feststellen: Wenn der Held in Innsbruck eine Niederlage oder gar eine Katastrophe erleidet, so kann das Buch als äußerst wahr angesehen werden. In Manfred Chobots Erzählband geht es um scheinbar normale Lebensläufe, die sich aber bei genauerer Betrachtung als Fälschung, Second-Hand-Schicksal oder Bilder aus der Wühlkiste herausstellen. So tritt in der Titelerzählung der Ich-Erzähler tatsächlich als Schwimmgenie auf, erlebt die Pubertät im Wasser und die Geschlechtsreife in Trainingslagern. Dennoch schleicht sich allmählich des Leben in Form von immer langsameren Schwimm-Zeiten ein. Die Katastrophe geschieht dann bei einem Rennen in Innsbruck, wo der Fisch sprichwörtlich im Wasser ersäuft. Eine universale Wahnsinnsgeschichte spielt sich in den Wohnzimmern ab, als eine Samstagabend-Sendung plötzlich in die Apokalypse umschwenkt. Alle Todelspiele, die während einer Show dargeboten werden, entpuppen sich als Endzeitspiele. Ein Prediger berechnet das Gewicht jener Rakete, die die Welt zerstören wird, ein Astrologe unterlegt seine Stimmung mit einem Maya-Kalender, ein Indianer, der bei der Flugsicherung tätig ist, berechnet den Zeitpunkt, wann Kalifornien unter Wasser stehen wird. - Alle diese Blödiane, die bei "Wetten daß" auftreten, erhalten einen höheren Sinn, wenn sich ihr Blödsinn in Endzeitstimmung verwandelt. Nach dem Muster von Abenteuerfilmen a la Reinhold Messner berichtet ein Dauerabenteurer, wie er zuerst zu Fuß, dann mit einem Moped und dann mit immer besserem Gerät ununterbrochen die Welt umrundet hat. Wichtig ist nur, daß man sich das erste Moped selbst finanziert, dann steigen ununterbrochen Sponsoren ein und man muß bloß noch um die Welt fahren. Gerade weil diese Geschichten scheinbar so bekannt sind, erschrecken wir als Leser, wenn Kleinigkeiten ein Eigenleben entwickeln. Wenn man lange genug ein Foto anschaut, so bewegt sich darin plötzlich etwas. Wenn man genau genug Chobots Erzählungen liest, so bewegt sich schließlich das Gewöhnliche. Daß die Geschichten alle wahr sind, hat ja der Innsbruck-Test bewiesen.

 

 
 
Helmuth Schönauer
     
     
 
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