Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension „reform-projekte“ – Helmuth Schönauer  
   
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
Reform Projekte
 

Manfred Chobot:

       
   

"reform-projekte"

     
   

Vorwort: Wendelin Schmidt- Dengler

     
   

Mit Grafiken von Paul Flora.

     
   

1980: Wien

     
   

Frischfleisch & Löwenmaul
vergriffen

     
           
               
 
   
     
     
 

Ein Projekt ist die Beschreibung eines Ereignisses, die ein Praktikant seinem Geldgeber vorlegt. Sinn eines Projektes ist es, den Einsatz der Mittel so zu dokumentieren, daß alle Beteiligten das ausgegebene Geld für sinnvoll angelegt halten. Ein gutes Projekt hört damit auf, daß es die Welt in ihrem bisherigen Zustand lobt und auf jegliche Veränderung verzichtet.
Manfred Chobot nimmt die Projektitis, die landauf landab außer Kontrolle geraten ist und wie die Maul- und Klauenseuche jedes Atelier heimsucht, zum Anlaß, um die Welt in Reform-Projekte zu unterteilen. In abgewandelter Wittgenstein-Sprechweise könnte man sagen: „Die Welt ist alles, was ein Projekt ist!“ In satirischem Dauereinsatz präsentiert Manfred Chobot an die vierzig Projekte, die sich als eingabe-reif herausstellen. Der Wärmeverlust beim Kuscheln, der Abbruch einer Inbetriebnahme oder der Einwegmensch sind beispielsweise Anlaß und Inhalt eines Projektes.
Bald stellt sich heraus, daß die Beschreibung der Welt als Projekt eine Lebensaufgabe sein kann, die täglich neue Projektanträge verlangt. Mit der Zeit automatisiert der Autor deshalb seine Projekt-Beschreibungen, indem er aus jeder Zeitungsmeldung mit einigen Kunstgriffen sofort ein neues Projekt entwickelt.
Manfred Chobots „Literatur-Projekt“ ist einmal interessant wegen der Stofffülle und des gigantischen Unsinns, der sich tagtäglich im Land ansammelt, zum anderen ist das Projekt eine raffinierte Form der Sprachkritik, da sich unter dem Vorwand der Konstruktion eines Sachverhaltes dieser am radikalsten dekonstruieren läßt.
Die Projekte haben naturgemäß verschiedene Halbwertzeiten. Manche könnte man nach zwanzig Jahren wortwörtlich wieder einreichen, und oft sind sogar noch passende Eingabenstellen dafür vorhanden, andere muß man nachjustieren, denn der Wahnsinn hat die Eigenschaft, daß er sich als Fortschritt tarnt.

Manfred Chobot, geb. 1947, lebt in Wien.

[Helmuth Schönauer]

Manfred Chobot: reform-projekte. Satirische Kurztexte. Vorwort Wendelin Schmidt-Dengler. Zeichnungen Paul Flora.
Wien: Frischfleisch & Löwenmaul 1980. (Die Neue Literatur 3/80). 32 Seiten.

 
 
 
 
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