Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension „Reise nach Unterkralowitz“ – Ingrid Reichel
„etcetera“, Nr. 40, Mai 2010
 
   
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
Der Gruftspion
 

Manfred Chobot:

       
   

Reise nach Unterkralowitz.

     
   

Hohenems: Limbus Verlag,

     
   

2009. Reihe Zeitgenossen.

     
   

192 S.

     
   

ISBN 978-3-902534-29-3

     
           
               
 
   
     
     
 

Herzschlag: Was auch immer es ist, was Familien verbindet, sei es der Herzschlag oder ein Gemischtwarengeschäft, sie haben jedenfalls eine gemeinsame Geschichte. Die Reise nach Unterkralowitz ist also die Reise des Autors Manfred Chobot in die eigene Vergangenheit, eine Vergangenheit, die er mit der Großmutter väterlicherseits beginnen lässt, Katharina Chudy, gebürtig aus Unterkralowitz, Dolní Kralovice, einer Gemeinde mitten im heutigen Tschechien. „Die Wiener düngten sich den zugewanderten Böhmen überlegen und spotteten. […] Ohne Zutun der böhmischen Zugereisten wäre die k.u.k. Reichs- und Residenzstadt (Wien) bevölkerungsmäßig und auch sonst zu einem Provinzdorf verkommen.“ (S. 115) Wir schreiben das Jahr 1899 als der 43-jährige Johann Hera mit seiner Katharina einen „Greißlerladen“ in der Thalheimergasse eröffneten. Die damaligen Arbeitssuchenden waren zwar Fremde in der Stadt, aber „Bürger desselben Reiches“. Abgesehen von den vielen kleinen und großen Schicksalsschlägen, die jede Familie für sich selbst durchlebt, haben wir alle eine gemeinsame Vergangenheit und somit auch eine gemeinsame Zukunft. Chobot springt von der Gegenwart in die Vergangenheit und wieder zurück. Manchmal weiß man nicht, spricht er von seinem Vater, von seinem Großvater oder vom Großvater seines Vaters…? Die Familie verwebt sich sprichwörtlich mit der Geburt seines Sohnes ab der ersten bis zur letzten Seite. Auch wenn ab Seite 130 Chobot zunehmend politisch wird, bleibt dieses Buch eine Hommage an seine Vorfahren und eine Liebeserklärung an seinen Sohn. Berührend einerseits und aufschlussreich von der österreichischen Geschichte her. Mit seiner ganz persönlichen Reise wird uns das Ja zum Leben in Österreich wieder bewusst, trotz des Rechtsradikalismus mit seinem ganzen Fremdenhass, der schon wieder oder immer noch im Wachsen ist.

Ingrid Reichel

 
 
 
 
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