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"Lass
dich lieben, wie vom Autohändler". So ein Satz ist schöner
als ein Ohrwurm, denn er ist haptisch-poetisch. Wer mit so einem Vers
aufgeladen ist, hat als Leser durchaus die Chance, dass er Teile seines
Lebens kurzfristig wie in Trance erlebt.
Diese verrückt gute Zeile stammt von Manfred Chobot und zeigt recht
gut, worum es in seinem Lyrikband "Römische Elegien" geht:
Um die Liebe, um den Alltag und um die Verschmelzung der beiden zur Poesie.
Manfred Chobot, Jahrgang 1947, ist im Wiener Dialekt ("Kumm haam
in mei Gossn", 2000) genauso zu Hause wie am Highway 101 in San Francisco
("Ansichtskarten", 1997). Er nähert sich dem lyrischen
Kosmos Roms einerseits mit dem aufgeregten Staunen ein Goethe, weshalb
er auch ungeniert den gleichen Titel wie der Klassiker verwenden kann,
andererseits schickt er ein lyrisches Ich vom Kaliber eines Allen Ginsberg
durch die ewige Stadt, was den Zeitbegriff gehörig erweitert.
Vielleicht ist gerade deshalb die Zeile vom Autohändler so einleuchtend,
denn die Ewigkeit der Liebe wird mit den Index-Werten des Autohandels
gewertet.
Der Untertitel "69 und 6 ein/stellungen zur liebe" legt einen
verwirrenden Begriffsteppich vom Kamasutra bis hin zu Stellungsproblemen
in der Semantik aus. Wer sich alleine nicht auf diesen Laufsteg der Annotationen
traut, sei auf das liebevoll-präzise Nachwort von Jeanne Benay verwiesen.
Die Stadt Rom zieht sich mit all ihren Begriffsfeldern durch die Gedichte.
Es beginnt mit dem Text "roma - amor", der pragmatisch optimistisch
endet: "begießen wir die liebe dass / sie wachsen möge".
Die Sage von Romulus und Remus, der Hauptbahnhof (stazione termini) mit
seinen vollen Koffern und leeren Gesichtern, die Hügel, die sich
nur von der Ferne schätzen aber nie gleichzeitig alle besteigen lassen,
die Überquerung des Tibers sind Assoziationsmöglichkeiten für
den Leser, an denen er sich mit seinen eigenen Rom-Erlebnissen oder -Visionen
in den Text einloggen kann. Das zentrale Thema der Liebe und der Unmöglichkeit,
die Liebe halbwegs mit Sinn zu Ende zu kriegen, setzt sich zwischendurch
von Rom ab, und streift mitten im Gebirge etwa die sagenhafte Frau Hitt,
Sinnbild für Versteinerung in jeder nur erdenklichen Form.
Während das Gelände groß wird wie die gesamt Erdoberfläche,
wird der Blick immer konzentrierter und rekrutiert aus kleinen Begebenheiten
große Themen. "hinter dem ohr erkennst du / zuerst eine jungfrau",
heißt so ein Satz aus dem kurzen Blickwinkel, mit dem man in jeder
Disco Aufsehen erregt.
Die "römischen Elegien" sind ein Leseerlebnis, das sich
nicht einfach zuklappen und abstreifen lässt. Die Themen sind nämlich
bewährt zeitlos, die Form ist aktuell aufregend und der Geist Manfred
Chobots gleicht dem eines Schamanen, der seine Heilkraft über Internet
verschicken kann.
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