Ausgewählte Kritiken / Rezensionen  
 
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Vorwort - Wendelin Schmidt-Dengler  
(zu Manfred Chobot: "reform-projekte")
 
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
     
 
reform-projekte
  reform-projekte"
     
    Satiren.      
    Vorwort: Wendelin Schmidt-      
    Dengler      
    Mit Grafiken von Paul Flora.      
    1980: Wien      
    Frischfleisch & Löwenmaul      
      vergriffen        
 
     
     
  VORWORT von Wendelin Schmidt-Dengler  
 
(zu Manfred Chobot: "reform-projekte")
 
     
 

An Satiren gibt es Mangel, Überschuß hingegen an Projekten: sie sind Ausschuß-Ware im Doppelsinne des Wortes. Ausschüsse und Kommissionen beraten, um dann wissenschaftlich fundierte Ergebnisse vorzulegen. Man "hat" errechnet, man "hat" festgestellt - "man" vertraut auf das statische Perfekt, das alles als unabänderlich fixiert. Die Flut der Reform-Projekte täuscht darüber hinweg, daß nichts oder wenig geschieht.
Sie verdienten es schon längst auf die satirische Schaufel genommen zu werden, diese Projekte, hinter denen sich Politiker verschanzen und die der Rundfunk promulgiert. Die Sicherheit, mit der die Medien die Sprache verwalten, wird zum Ausgangspunkt der Satire. Chobots Miniaturen gehen von banalen Beobachtungen aus, von Denkphrasen, mit denen heiter plaudernd die Radiosprecher uns in die Falle alltäglicher Irrtümer führen. Chobot hört genau hin, wenn mit Worten Tatsachen verstellt werden. Er hört, wenn ein neuer Trick als Fairness verkauft wird, wenn von Sozialpartnerschaft die Rede ist und Ausbeutung gemeint ist. Er konzentriert sich auf Österreich, im besonderen auf Wien, auf Themen, wie man sie alltäglich der ("Kronen"-)Zeitung entnehmen kann. Schul- und Bildungsreform, Wiens urbanistische Probleme, Abfallverwertung, Energiekrise, Sportfanatismus - abgehandelt in der Sprache, die es zu unterlaufen gilt. Nicht der aktuelle Anlaß entscheidet, obwohl jedes Thema für die Gesellschaft der 70er und 80er Jahre Gültigkeit hat. Chobots kleine Stiche stechen peinigend tiefer als eine höhnende satirische Wochenschau mit ihren Billigparodien. Die Banalität der Themen macht bewußt, daß politisches Handeln in der Sphäre des Banalen beginnen muß. Durchaus vernünftig ist daher Chobots Abstinenz von weltpolitischen Zusammenhängen: die durchschaut man, wenn man einmal sich kommunalpolitischen Bagatellen gewidmet hat, viel besser.
Aufgabe der Satire ist es, die Sprachmaske mit einem schnellen Griff jenen vom Gesicht zu reißen, die mit den Worten Herrschaft ausüben wollen, jene lächerlich zu machen, die stets vom Sinn reden, um ihre unsinnige Lebenspraxis zu rechtfertigen. Das beherrscht Chobot; seine Übertreibungen wirken, sie wirken sanft, ja manches, das als satirische Vision anklingt, könnte in Bälde Wirklichkeit werden. Bevor wir in die Sackgasse der Reform-Projekte wandern, die die Medien offerieren, möge man sich von Chobots Reform-Projekten warnen lassen.


 
 
Wendelin Schmidt-Dengler
 
  (1980)  
     
 
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